Wir sind getrumpt

Wir sind getrumpt
Der US-Präsident dominiert das öffentliche Leben wie seit Jahrzehnten niemand mehr. Eine Ermüdungstaktik mit Kalkül.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Das muss man sich einmal klar vor Augen führen: Der Präsident des mächtigsten Landes der Welt telefoniert mit seinem Kollegen aus einem kriegsführenden Land, um die Aufteilung eines europäischen Landes zu besprechen – und der betroffene Präsident erfährt im Nachhinein mit etwas Glück von der Abmachung. Sorry, aber das erinnert an dunkelste Zeiten. Und es ist erstaunlich, wie der amerikanische Präsident offenbar über den Tisch gezogen wird, sodass bereits über die Absurdität gesprochen wird, dass Russland tatsächlich im 21. Jahrhundert noch den Kalten Krieg gewinnt. Die Welt ist wirklich krank. Und alle leiden mit.

Wir sind getrumpt, wenn man so will, also von Donald Trump völlig überrollt, obwohl er stets klar geäußert hat (bei allen Irrungen), worauf er hinauswill. Doch selbst wenn jemand jahrelang behauptet, das demokratische System aushöhlen, die Justiz unter seinen Einfluss bringen, Verschwörungstheoretikern recht geben zu wollen, ist die Mehrheit der Wähler zumindest in den USA nicht gewillt, das auch zu glauben. Dass er jetzt auch das Bildungsministerium mit der Abrissbirne seines Kugelschreibers zerschlägt, passt ins Bild eines Egozentrikers, den nur der Fortschritt auf seinen Konten interessiert und nicht jener der Bevölkerung. Wissenschaft und Bildung sind Feindbilder, so weit sind wir gekommen.

Im deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm bedeutet trumpen „die Trompete blasen“, aber auch „schwerfällig gehen“, also trampeln. Von früh bis spät trumpt er über die Welt drüber, es gibt keine Nachrichtensendung, in der er nicht mit seinen Fortissimo-Attacken vorkommt, keine Plattform, die nicht ständig über ihn berichtet, keine andere Person dominiert in so vielen Bereichen das Geschehen.

Wir sind getrumpt von seinen absurden ökologischen Vorstellungen, er bläst den Marsch für die globale Ökonomie, mit Zöllen und anderen destruktiven Ideen. Er schert sich mit seinen Nahost-Fantastereien nicht im geringsten um Menschenrechte. Er verlangt, Richter abzusetzen, wenn sie nicht in seinem Sinne entscheiden. Er lässt Flüchtlinge vor Kameras abschieben – mit Bildern, die man von faschistischen Systemen kennt. Und bei seinen Auftritten benimmt er sich schlecht, unwidersprochen, ja befeuert von seiner Claque, und gibt ein übles role model ab: Wen kümmert schon der zwischenmenschliche Umgang, wenn der Erfolg die Mittel rechtfertigt? Aber welcher Erfolg eigentlich?

Die Welt ist getrumpt von den allmorgendlichen Trompeten und dem Getrampel. Aber sie darf nicht ertrumpen, also erlahmen und den Zerstörern der Demokratie das Feld überlassen. Die EU ist zumindest zum Teil erwacht von den ständigen Weckrufen. Man ahnt aber bereits: Vier Jahre Getrumpe werden die Welt für Jahrzehnte beschädigen.

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