Im innenpolitischen Schrebergarten

Im innenpolitischen Schrebergarten
Die Erwartung an die nächste Regierung ist gering – die meisten Probleme lassen sich aber ohnehin nur gemeinsam in der EU lösen
Martina Salomon

Martina Salomon

Worüber diskutieren wir da eigentlich gerade? Ob Neos nun überraschend doch in einer Koalition sitzen. Ob Stocker und Babler miteinander „können“. Ob der SP-Chef durch die Wiener Genossen unter Kuratel gestellt wurde. Ob Rapid-Präsident Alexander Wrabetz echt Finanzminister wird. Wie eine schwarz-rote Bankenabgabe (zum Budgetlochstopfen und als klassenkämpferisches Schmerzpflaster) ausschauen wird. Ob den „Alberich von Radenthein“ (O-Ton Historiker Lothar Höbelt über Herbert Kickl) die Hauptschuld an der verspielten Chance einer blauen Kanzlerschaft trifft.

Derweilen wird die Welt da draußen täglich ungemütlicher für Europa und Österreich. Jahrzehntelange Gewissheiten werden in Kurznachrichten auf X entsorgt. Der US-Präsident übertrifft die ohnehin schlimmen Erwartungen. Donald Trump schiebt gerade Europa samt der Ukraine wie ein lästiges Insekt beiseite und macht gemeinsame Sache mit dem Aggressor Russland. Ohne US-Hilfe müsste die EU laut einer neuen Studie 300.000 Soldaten zusätzlich mobilisieren, damit Putin nicht triumphiert.

Die Europäische Union befindet sich allerdings gerade selbst in einer Schwächephase. Wegen hoher Staatsverschuldungen müssten die vergleichsweise – und hierzulande besonders – hohen Sozialausgaben gesenkt werden. Doch wer wagt das? Die Leitnation Deutschland, die diesen Sonntag wählt, ist politisch orientierungslos und wirtschaftlich marod. Wegen der Russland-Sanktionen ist der Gas-Preis mittlerweile in Europa fünfmal so hoch wie in den USA. Und die Industrieproduktion ist mit minus neun Prozent nirgendwo im EU-Raum so stark eingebrochen wie in Österreich.

Natürlich lässt sich innenpolitisch dagegen etwas tun. Aber ohne eine starke EU geht es nicht, auch wenn uns diese gerade – von überbordender Green-Deal-Regulierungswut bis zu absurden EuGH-Entscheidungen, speziell im Bereich der Migration – auf die Nerven geht. Der Probleme werden wir nur gemeinsam Herr: Man müsste sich darauf besinnen, dass die Europäische Union vor allem ein wirtschaftlicher Verbund ist. Nur gemeinsam kann Europa gegen die Konkurrenz Chinas (mit dem Anhängsel Russland) und neuerdings auch gegen Trumps USA bestehen. Ein Rückzug auf nationale Schrebergärten („Festung Österreich“) ist lächerlich. In Umkehr eines Bonmots von Alfred Polgar könnte man sagen: Die Situation ist ernst, aber noch nicht hoffnungslos. Jetzt braucht es eine klare und entschiedene europäische Führung. Ob Friedrich Merz das als vermutlich neuer deutscher Kanzler in einer Ampelkoalition kann? Die Antwort auf diese Frage ist freilich wichtiger als die Zusammensetzung der neuen österreichischen Bundesregierung. An die sind die Erwartungen so gering, dass sie nur positiv überraschen kann.

Martina Salomon

KURIER-Herausgeberin Martina Salomon

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