Wider die politischen Brandstifter: Misstraue stets der eigenen Meinung

Das Bild zeigt Bundeskanzler Christian Stocker und FPÖ-Chef Herbert Kickl
58 Prozent der Österreicher trauen der Regierung keine Reformen zu. Doch eine Politik, die bloß das tut, was wir uns denken, wird nicht reüssieren.
Christoph Schwarz

Christoph Schwarz

Wagen wir ein Gedankenexperiment: Sie gehen mit körperlichen Beschwerden zum Arzt. Dieser verschwendet aber weder Zeit auf eine eingehende Untersuchung, noch behandelt er Sie auf Basis seines medizinischen Fachwissens. Er verschreibt Ihnen schlicht Medikamente gegen jene Erkrankung, von der Sie selbst nach laienhaften Google-Recherchen glauben, dass sie Sie heimsucht. Oder: Sie bringen Ihr Auto in eine Werkstatt, wo es gar nicht erst fachkundig inspiziert wird. Der Mechaniker wechselt nur schulterzuckend jenes Teil aus, von dem Sie denken, es sei kaputt – und schickt sie zurück auf die Straße.

In beiden Fällen wären Sie mit der Leistung des Experten (oder der Expertin) alles andere als zufrieden. Und das aus gutem Grund. Sie haben sich schließlich jemandem anvertraut, der etwas von seiner Sache versteht; so funktioniert das in einer arbeitsteiligen Gesellschaft.

Höchst gefährlich wäre die Angelegenheit obendrein: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Ihre Krankheit verschlechtert, wäre groß. Und ihr Auto bleibt ziemlich sicher am Straßenrand liegen.

Feuer mit Feuer bekämpfen

Was einleuchtend klingt, ist, wenn es um die politische Zukunft des Landes geht, gar nicht selbstverständlich. Politiker sind zur fast einzigen Berufsgruppe geworden, an die wir – salopp formuliert – den Anspruch erheben, dass sie zu unser aller Vorteil bloß das zu tun und sagen habe, „was die Leute sich wirklich denken“. Würden sich die etablierten Parteien endlich ein Beispiel an Kickl, Trump und AfD nehmen, ja, dann wären sie wieder wählbar – so richten es uns manche Kommentatoren angesichts des anhaltenden Höhenflugs der politischen Brandstifter aus.

Wir versuchen, Feuer mit Feuer zu bekämpfen – und fachen damit den populistischen Flächenbrand an. Wir nivellieren die politische Qualität nach unten. Selten war unser Bildungsgrad so hoch, und doch waren wir selten so anfällig für Simplifizierung. Weil alles schwierig geworden ist, sehnen wir uns nach einfachen Antworten. Und weil wir verlernen, zu ertragen, dass man uns widerspricht, muss unsere Sichtweise zwangsläufig die richtige sein.

Dass Gesellschaft so funktioniert, ist ein Trugschluss. Wagen wir wieder, eigenen Meinungen zu misstrauen, vor allem dort, wo wir keine Expertise haben! Bauchgefühl und gesunder Menschenverstand sind in komplexen Zeiten nicht die besten Berater.

Noch ein Experiment

In der aktuellen KURIER-OGM-Umfrage geben 58 Prozent der Befragten an, dass sie der Regierung nicht zutrauen, Probleme in den Griff zu kriegen. Noch ein Gedankenexperiment: Wie wäre es, wenn wir jene, die wir gewählt haben, mit Grundvertrauen ausstatten? Erfolgreiche Politik könnte sich dann wieder dadurch auszeichnen, dass sie widersteht, blindlings einfache Lösung anzubieten, sondern versucht, die richtigen Maßnahmen zu vermitteln. Damit wir als Gesellschaft nicht irgendwann am Straßenrand liegen bleiben.

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