Dabei sind es nicht irgendwelche inhaltlichen Differenzen, die zu Verstimmungen geführt haben. Ob das Raketenabwehrsystem Sky Shield kommt oder nicht, daran wird Blau-Türkis nicht scheitern. Genauso wenig am Thema ORF, den die Freiheitlichen zusammenstutzen wollen. Und selbst der Umgang mit der EU ist keine rote Linie, die zu einem Abbruch der Gespräche führen könnte.
Die Aufregung ist vielmehr, wie atmosphärisch miteinander umgegangen wird. Das hatte schon am Donnerstag begonnen, als die ÖVP beim Medienkapitel Sondergespräche mit Vertretern der Branche ausgemacht hatte. Der FPÖ missfiel dieser Winkelzug, die Verhandlungen wurden deswegen kurz unterbrochen. Allgemein wurde das als kleiner Ausrutscher abgetan, ohne wirkliche Auswirkungen.
Dann allerdings folgte ein Pressegespräch von ÖVP-Chefverhandler Christian Stocker, bei dem er sich wünschte, dass die FPÖ mehr in die politische Mitte rückt. Die Reaktion der Blauen war wuchtig. Landeshauptmann Mario Kunasek, die Landesparteispitzen Udo Landbauer, Marlene Svazek und Dominik Nepp wurden ausgesandt, um Stocker in die Schranken zu weisen. Sie forderten von ihm einen vertrauensvollen Umgang und die Abkehr von taktischen Spielchen. Stockers Generalsekretär Alexander Pröll warnte davor, die Nerven zu verlieren.
So ein Schlagabtausch kann gefährlicher sein, als wenn man sich bei dem einen oder anderen Thema nicht einigen kann. Er unterstreicht, wie groß noch immer das Misstrauen zwischen den beiden Parteien ist. Im Jahr 2017, als Sebastian Kurz mit Heinz Christian Strache verhandelt hatte, war das nicht so spürbar. Da hatte man immer das Gefühl, dass Kurz und Strache solche Ungereimtheiten bei einem Vieraugengespräch ausräumen können. Ob das bei Herbert Kickl und Christian Stocker ebenfalls möglich ist, muss eher bezweifelt werden. Auch wenn der FPÖ-Chef die Ausritte seiner blauen Landeschefs noch am Samstag mit einem eher kalmierenden Facebook-Posting wieder eingefangen hat.
Ein gemeinsames Regierungsprogramm wird nicht reichen, um in den kommenden fünf Jahren Österreich zu führen. Mag es noch so detailliert und klar ausgearbeitet sein. Ohne ein gewisses Maß an Vertrauen unter den blauen und türkisen Regierungsmitgliedern wird man scheitern. Das sollte allen Akteuren klar sein, bevor die Regierungserklärung vorgetragen wird. Andernfalls wird man von Konflikt zu Konflikt stolpern – mit Neuwahlen als einzigem Ausweg.
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