"Ja, aber ...": Warum die Kritik aus der Justiz typisch für Österreich ist

Wer die Innenpolitik in den vergangenen Jahren zumindest ein wenig verfolgt hat, ist an diesem Thema nicht vorbeigekommen: Das Weisungsrecht des Justizministeriums soll durch eine Bundesstaatsanwaltschaft ersetzt werden. Vor allem die vielen Ermittlungen gegen Politiker der ÖVP in der Zeit der türkis-grünen Regierung hatten den öffentlichen Druck erhöht, hier den Justizbereich neu aufzustellen. Weg von der Politik hin zu einer unabhängigen Person oder einem Dreier-Senat.
In der Realität war dieses Weisungsrecht zwar weniger ein Problem als in der politischen Diskussion, weil sich Ministerinnen und Minister ohnehin meist zurückhielten. Noch dazu hatte der damalige ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter einen Weisungsrat als Beratungsgremium installiert, um Druck herauszunehmen.
In der türkis-grünen Regierung gab es dazu etliche Vorschläge, zum Teil auch von einer Expertenkommission ausgearbeitet, wie so eine Bundesstaatsanwaltschaft aussehen könnte. Eine Umsetzung war zu dieser Zeit aber nicht möglich, weil der Kompromiss keine wirkliche Kategorie war, wenn die grüne Ministerin Alma Zadic und die türkise Ministerin Karoline Edtstadler bei einem Thema aneinander geraten sind. Das ist in der türkis-rot-pinken Dreier-Bundesregierung jetzt anders. Da hat man sich sehr rasch auf eine gemeinsame Linie geeinigt, die bereits vom Ministerrat abgesegnet worden ist. Die entscheidenden Punkte sind, dass es nicht einen Bundesstaatsanwalt geben wird, sondern ein Dreier-Gremium. Und dass dem Parlament eine wichtige Kontrollfunktion erhalten bleibt.
Diese Justizreform ist historisch, weil damit eine Art Entmachtung der künftigen Justizminister vollzogen wird. Damit hat die Dreier-Koalition einen Pflock eingeschlagen, an dem die Vorgänger gescheitert sind. Das Gesetz wird vielleicht noch im Herbst, spätestens wohl im Frühjahr dem Parlament zur Beschlussfassung vorgelegt werden.
Interessanterweise mehrt sich seit dem Beschluss im Ministerrat die Kritik aus der Justiz. Sogar der OGH-Präsident sprach sich etwa gegen die Dreier-Spitze aus. Andere orteten weiterhin zu viel Einfluss der Politik. Und so fort. Gemäß dem typisch österreichischen Entscheidungsprinzip: „Ja, aber ...“ Dabei war bisher die allgemeine Meinung gewesen, dass in der Justiz alle diese Abkoppelung der Staatsanwaltschaft vom Ministerium begrüßen.
Zum Einfluss der Politik sei nur angemerkt: Eine Staatsanwaltschaft völlig losgelöst vom Parlament kann nicht das Ziel sein. Und dass das Parlament bei der Bestellung der künftigen Bundesstaatsanwälte eine entscheidende Rolle spielt, ist gelebte Praxis. Das beste Beispiel dafür ist der Verfassungsgerichtshof.
Kommentare