Bis zum "ewigen Frieden" im Nahen Osten dauert es noch Jahre
Kann man sich von einer Auszeit eine Auszeit nehmen? Benjamin Netanjahu kann das. Nachdem Hamas-Terroristen israelische Soldaten attackiert und die Rückgabe von Geisel-Überresten manipuliert hatten, ordnete er am Dienstag „intensive“ Luftschläge auf den Gazastreifen an. Mindestens 104 Menschen wurden dabei getötet, darunter wohl auch Frauen und Kinder. Die Waffenruhe, so Netanjahu, sei damit jedoch nicht gebrochen – lediglich „temporär ausgesetzt“, wie es anschließend aus Jerusalem hieß.
Gerade einmal drei Wochen hat es gedauert, bis die Welt sich fragen musste, ob die lang ersehnte Waffenruhe schon wieder Geschichte ist. Dass der Deal auf wackeligen Beinen steht, war schon bei seiner Verkündung klar. Jetzt führen beide Seiten eindrucksvoll vor Augen, wie schnell die Hoffnung auf ein bisschen Frieden zerbröseln kann.
Die letzten 24 Stunden erinnern die Welt einmal mehr daran, dass es im Nahen Osten keine einfachen Lösungen gibt. Als Donald Trump den Deal verkündete, sprach er vom „ewigen Frieden“, der dank ihm künftig im Nahen Osten herrschen werde. Eine klassische Trump-Übertreibung – doch selbst Skeptiker hegten damals leise Hoffnung, dass die Vereinbarung zumindest etwas in Bewegung setzen könnte. Nun zeigt sich: Das kann nur gelingen, wenn Trump die Daumenschrauben im Nahen Osten weiter anzieht.
Zum einen muss der Druck auf die Hamas wachsen: Noch immer ist unklar, wie die Terrororganisation entwaffnet werden soll – geschweige denn, ob sie überhaupt bereit ist, ihre Waffen abzugeben. Zugleich führt die Hamas einen inneren Machtkampf, der in einem Bürgerkrieg im Gazastreifen enden könnte. Wer innerhalb der Organisation das Sagen hat – oder künftig haben wird – ist völlig offen.
Auf der anderen Seite hat Benjamin Netanjahu längst seinen Wahlkampf eröffnet. Im kommenden Oktober will er erneut Premierminister werden. Dabei wird er an seinem Versprechen gemessen werden, die Hamas „dem Erdboden gleichzumachen“. Gibt er sich zu kompromissbereit, stärkt das die Rechtsextremen – und genau hier wird Trump die Grenzen setzen müssen.
Hinzu kommt, dass die USA bisher weder eine glaubwürdige Interimsverwaltung noch eine handlungsfähige Friedenstruppe auf die Beine gestellt haben. Beides existiert nur auf dem Papier. Die internationale Truppe scheitert am Misstrauen der beteiligten Staaten: Israel will keine türkischen Soldaten, und auch Schwergewichte wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate zögern.
Auf beiden Seiten gibt es Akteure, die den Deal lieber heute als morgen zu Grabe tragen würden. Bis zu Trumps „Ewigkeit“ wird es noch dauern – eher Jahre als Monate.
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