Natürlich wäre es naiv zu glauben, dass es im Innenministerium keine gewachsenen Machtstrukturen gibt. Die ÖVP führt das Haus seit einem Vierteljahrhundert fast ohne Unterbrechung. Selbstverständlich macht das etwas mit einem Apparat, es gibt Parteifreundschaften und -verflechtungen, das zu leugnen wäre Realitätsverweigerung.
Darum aber geht es der FPÖ nicht. Auch gegenüber dem KURIER hält Hafenecker fest, es gehe um das Phänomen des „tiefen Staats“ oder „deep state“. Systemzweifler benennen damit eine unsichtbare, weltweit agierende „Schattenregierung“, der von Nachrichtendiensten übers Militär bis hin zur Justiz und großen Konzernen alle angehören, die irgendwie Macht ausüben.
Die Weltverschwörung im U-Ausschuss?
Man könnte gelassen schmunzeln, bestünde nicht die Gefahr erheblicher Kollateralschäden. Wer das Innenministerium pauschal als Staat im Staat diffamiert, beschädigt es als Institution und spricht damit allen im Ressort – also in letzter Konsequenz den Polizistinnen und Polizisten – ab, den Amtseid ernst zu nehmen. Ein Staat im Staat funktioniert nur, wenn alle Beteiligten auf die Verfassung pfeifen. Das gilt übrigens auch für Staatsanwaltschaften und Richter. Nur wenn sie „mitspielen“ und Amtsmissbrauch geflissentlich ignorieren, funktioniert der „tiefe Staat“. Das ist auch der Punkt, an dem man bei der Causa Pilnacek landet: Der charismatische Sektionschef war ein Grenzgänger, er befand sich im Konflikt mit Behörden und Politikern. All das ist unstrittig.
Die Frage seines Suizids und der Ermittlungen ist davon zu trennen.
So ist es durchaus möglich, dass am Tag von Pilnaceks Tod nicht alles gemäß Lehrbuch lief. Wenn dem so war, ist das aber zunächst einmal eine Angelegenheit für Dienstaufsicht und Justiz. Dass seit Monaten öffentlich über vermeintliche und echte Widersprüche spekuliert wird, nährt eine schlimmere, monströse Erzählung: Pilnacek wurde in den Tod getrieben oder gar ermordet, und „der Apparat“ hat Handy und Laptop verschwinden lassen. Deep state halt.
Wäre dem so, so wäre das einer der größten Skandale der Zweiten Republik. FPÖ-Mann Hafenecker hält es für zumindest möglich. Auch bei Lucona sei es ähnlich gewesen, sagt er. Das Tragische daran: Bislang gibt es vor allem Spekulationen und eine Show. Auf Kosten eines Toten.
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