Ein Gedenken mit Rissen

"FEST DER FREUDE": "GEMEINSAM FÜR EIN NIEMALS WIEDER" - ZUM GEDENKEN AN DIE OPFER UND DIE FREUDE ÜBER DIE BEFREIUNG VOM NATIONALSOZIALISMUS
Im Umgang mit dem Erinnern an das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Geburt der Zweiten Republik zeigt unserer Demokratie, wie unreif sie noch ist.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Für das Selbstverständnis der Republik sind es entscheidende Tage: das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs, welches auch das Ende der Nazi-Herrschaft bedeutete, und die Geburt der Zweiten Republik. Darauf fußt unser politisches und gesellschaftliches Leben. Umso wichtiger ist es, dass diese Jahrestage genutzt werden, um das Geschehen vor 80 Jahren in Erinnerung zu rufen. Als deutliche Warnung, was passiert, wenn die Unmenschlichkeit zur Staatsdoktrin erklärt wird und die Massen einem mörderischen Regime hinterherlaufen.

Seit Tagen folgt eine Gedenkveranstaltung auf die andere. In der Wiener Hofburg, im Bundeskanzleramt, im KZ Mauthausen oder auf dem Wiener Heldenplatz. Die Botschaft der vielen Rednerinnen und Redner ist immer die gleiche: „Nie wieder“. Und man müsste eigentlich die Gewissheit haben, dass diese zwei Worte in Österreich die offiziellen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen über alle ideologischen Grenzen hinweg einen. Aber es sind genau diese Feiern, die zeigen, dass der Umgang mit dieser Geschichte noch immer nicht ohne Ressentiments und Aversionen stattfinden kann.

Begonnen hat alles mit der Debatte um FPÖ-Nationalratspräsident Walter Rosenkranz, der sich seit seinem Amtsantritt einige unverzeihliche Ausrutscher geleistet hat. Etwa den Empfang des ungarischen Premiers Viktor Orbán im Parlament, bei dem er die Europa-Fahne entfernen hat lassen. Oder sein unerträglicher Umgang mit dem Nazi-Wort „Umvolkung“, das ein FPÖ-Abgeordneter im Parlament just im Gedenkmonat verwendete. Da keinen Ordnungsruf zu erteilen, hat zu Recht empört. Walter Rosenkranz hat sich jetzt allerdings zurückgenommen und bei der Erinnerungsfeier im Parlament die Rede an den Zweiten Nationalratspräsidenten Peter Haubner abgetreten. Dass der Vorsitzende des Mauthausen-Komitees, Willi Mernyi, dennoch dieser Veranstaltung wegen Rosenkranz bewusst ferngeblieben ist, ist eine völlig falsche Geste. Genauso war die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) wegen des FPÖ-Präsidenten nicht ins Hohe Haus gekommen. Bei der Gedenkfeier im Bundeskanzleramt war die IKG dann wieder vertreten, obwohl auch dort Walter Rosenkranz in der ersten Reihe gesessen ist.

Schlimm ist auch, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl nicht zur Feier anlässlich 80 Jahre Gründung der Zweiten Republik in die Hofburg gekommen ist. Das war ein Muss-Termin für die Chefs der Parlamentsparteien.

Das kratzt an jenem Gedenken, das eigentlich außer Streit stehen sollte. Das ist auch nicht jener Umgang mit der Geschichte, der gerade in der heutigen Zeit notwendig wäre. Eine Zeit, in der die Worte „Nie wieder“ weltweit leider immer mehr verblassen.

Kommentare