Le nozze di Bezos

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Die Proteste gegen die Hochzeit des Amazon-Chefs sind geheuchelt. Die Hoch-Zeit des Kapitalismus ist woanders begründet als in diesem Jawort.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

In der Oper „Le nozze di Figaro“ (zu deutsch „Die Hochzeit des Figaro“) von Mozart geht es um einen „tollen“, also verrückten Tag, um das Recht der ersten Nacht und um eine revolutionäre Haltung gegenüber dem (Geld-)Adel. Bei „Le nozze di Bezos“ heiratet nun in Venedig zwar nicht der Kammerdiener, sondern einer der reichsten Menschen der Welt, also umgekehrte Voraussetzungen – der ideologische Zusammenprall ist aber genauso heftig, wenn auch nicht so raffiniert und humorvoll.

Seit Wochen wird gegen die Hochzeit von Jeff Bezos und Lauren Sánchez protestiert, sie sei die Ausgeburt des Kapitalismus und zeige die Käuflichkeit von Venedig. Wenn Bezos schon viele Millionen in die Feierlichkeiten mit seinen Promi-Freunden investiert, solle er gefälligst auch mehr Steuern zahlen.

Dass Bezos polarisiert, auch politisch wegen seines Kotaus vor Trump (so blöd wie Elon Musk war er zum Glück nie), ist klar. Dennoch wäre in Sachen Hochzeit in Venedig mehr Gelassenheit angebracht. Aber differenzierte Haltungen sind derzeit nicht lieferbar.

Bezos macht mit Hochzeit Europa zum Disneyland

Bezos heiratet in Venedig – na und? Wieso sollte sich nicht ein Milliardär Träume erfüllen, die wir uns nicht leisten können? Was soll daran verboten sein?

Bezos mietet sich mit seiner Entourage in den teuersten Hotels der Stadt ein, während sich Einheimische die Mieten nicht mehr leisten können – würde eine Absage die Wohnungssituation verbessern? Wohl kaum. Venedig hat – wie wenige andere Städte – eine Tradition, Reichtum zu zelebrieren, man denke nur an die unfassbar vermögenden Dogen. Diese Stadt war stets der Inbegriff des Kapitalismus und Wohlstands durch Handel, noch vor Amazon Prime.

Bezos macht Europa für drei Tage zum Disneyland – warum nicht? Immerhin zeigt er damit auch den „Make America Great Again“-Vögeln, wo Kultur ist. Die Aufregung ist also geheuchelt und voller Klischees, soll er doch heiraten, wie und wo er will.

Nicht die Hochzeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, wie Bezos zu derart unverschämt viel Geld kam: durch die schlechte Bezahlung, geradezu Ausbeutung vieler Mitarbeiter, auf Kosten anderer sozusagen. Wie bei den meisten Tech-Milliardären in seinem Umfeld ist auch sein Geschäftsmodell auf die Zerstörung der bisherigen Systeme ausgelegt. Die ökonomische Unterdrückung findet nicht in Venedig statt, sondern durch jeden Klick, mit dem ein Kunde etwas bei Amazon bestellt. Aber auch da sind die wenigsten so konsequent, auf ein paar Prozent Rabatt zu verzichten, wenn Bezos sie verspricht.

„Tutti contenti“, alle zufrieden, singen am Ende der „Hochzeit des Figaro“ jene, die einander zuvor gegenüberstanden. Wird wohl diesmal nicht der Fall sein.

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