Zum Tod von Arnulf Rainer: Avantgarde und Ungeist
Im Nachruf auf den Maler Arnulf Rainer, dessen Tod am Sonntag bekannt wurde, habe ich geschrieben, dass der Künstler maßgeblich daran beteiligt gewesen war, den Rückstand der heimischen Kunstwelt an die Entwicklungen der Moderne aufzuholen.
Da gilt es nachzuschärfen: Denn wenn man unter „Moderne“ die Erneuerungen der Kunst am Beginn des 20. Jahrhunderts versteht, waren diese in Rainers Frühzeit schon ein alter Hut. Rainer war aber kein moderner Spätzünder, sondern Avantgardist – und bei den Entwicklungen seiner Zeit nicht hintennach, sondern mittendrin.
In Österreich gehen die Uhren aber bekanntlich etwas anders, und so war die Karriere des Malers bis zuletzt von jenen Echos der Kunstfeindlichkeit begleitet, die hierzulande immer ein bisschen lauter aus der Volksseele zu hallen scheinen als anderswo.
Abstrakte Malerei hat, wenngleich längst eine historische Entwicklung, noch immer gegen den Generalverdacht anzukämpfen, der betreffende Maler, die betreffende Malerin könne es ja nicht besser. Dass gerade in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, nach Hiroshima und dem Holocaust, viele Künstler zu dieser Sprache fanden, um die Grenzen des Sagbaren zu vermessen, sollte aber eigentlich Allgemeinbildung sein.
Unterstützer aus allen Lagern
Es ist durchaus aufschlussreich zu sehen, welche Kräfte in der Ära, die mit Arnulf Rainers Tod nun ein Ende gefunden hat, die Kunst gegen ihre Angreifer verteidigten. Mit dem Domprediger Otto Mauer war es nicht „die Kirche“ als Institution, aber doch ein Kirchenmann, der einen Sinn für größere Zusammenhänge hatte.
Der im Mai dieses Jahres verstorbene Galerist John Sailer, der selbst die Erfahrung der Flucht vor den Nazis gemacht hatte, war ab Mitte der 1970er für Rainer und andere ein Türöffner in die internationale Kunstwelt. Der aus Kärnten stammende Galerist Thaddaeus Ropac erfüllt diese Funktion vielfach heute. Zu nennen ist aber auch der ehemalige niederösterreichische ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll, auf dessen Initiative Arnulf Rainer, Hermann Nitsch oder Adolf Frohner mit Museen auf der Landkarte verankert wurden.
Wie man sieht, verlaufen die Polaritäten im Feld der Kunst nicht zwischen Konservativ und Progressiv, nicht zwischen Privat und Staat, nicht zwischen Religiös und Säkular: Allein die Offenheit und Bereitschaft, sich auf die Auseinandersetzung mit dem Unerwarteten einzulassen, trennt Unterstützer der künstlerischen Sphäre von jenen, die danach trachten, sie zu torpedieren, kleinzureden oder zu vereinnahmen. Dass solche Kräfte hoch aktiv sind, zeigen aktuell Donald Trumps Attacken gegen Kulturinstitutionen ebenso wie die angefachte Aufregung um eine Künstlerhaus-Ausstellung in Wien. Dabei könnte man am Feld der Kunst gegen den Ungeist zusammenfinden.
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