Nach dem Amoklauf in Graz: Nur keine raschen Antworten

Die Befürchtung, dass diese Zeilen in wenigen Tagen überholt sein werden, ist groß. Aber immerhin haben sich die politischen Repräsentanten in den ersten 24 Stunden nach dem Amoklauf von Graz (der in seiner Tragik jedes beschreibende Adjektiv verbietet) mit Wortmeldungen zurückgehalten. Wie das Fußball-Nationalteam, das nicht über seinen Sieg sprechen wollte/konnte. Keine Partei ist der Versuchung erlegen, sich mit allzu raschen Forderungen in den Mittelpunkt zu stellen oder politisches Kleingeld zu wechseln. Die Schockstarre scheint zur kollektiven Erkenntnis geführt zu haben, dass es wesentlich Wichtigeres gibt als das politische Tagesgeschäft und das (leider oft zu beobachtende) Transportieren von Klischees zur Wählermaximierung.
In Graz ist Unsägliches passiert, und in solchen Momenten braucht es zunächst einmal Besonnenheit, so schwer das auch ist. Besonnenheit von einem Kanzler, der v ersucht, die richtigen Worte zu finden, im Wissen, dass es keinen Trost geben kann (hat Christian Stocker, der zum ersten und hoffentlich letzten Mal mit einer solchen Situation konfrontiert war, auch gemacht). Besonnenheit und Mitgefühl von der Landespolitik (gab es ebenfalls). Aber auch Besonnenheit von der Opposition (war am Tag danach auch zu bemerken).
Wenn derart Unsägliches passiert, dann braucht es aber auch viele Fragen, alle Bereiche betreffend und ohne die Erwartung sofortiger Beantwortung. Wie konnte es dazu kommen? Warum hat niemand zuvor etwas bemerkt? Wie hätte man das verhindern können? Warum passieren weltweit solche Schrecknisse so oft in Schulen? Wie kann man diese und ähnliche Orte besser schützen? Was muss sich beim Waffengesetz (eines der laschesten in Europa) ändern, damit Menschen nicht so leicht oder besser gar nicht zu tödlichen Werkzeugen (auch zu Messern) kommen? Warum besitzt ein 21-Jähriger überhaupt legal Waffen? Wie kann man die Opfer bestmöglich (eigentlich auch ein falscher Superlativ in diesem Zusammenhang, weil nichts auch nur irgendwie gut sein kann) betreuen? Die Schüler? Die Lehrer? Die Eltern? Die Einsatzkräfte? Bis hin zur Frage: Was macht so ein Attentat mit der Gesellschaft als Ganzes, mit der Gemeinschaft, mit dem Sicherheitsgefühl, mit dem Vertrauen?
Nach dem Amoklauf von Graz, über den wir leider in Jahren noch reden werden (auch das eine ungerechte Punzierung einer Stadt, weil er überall passieren hätte können), sind Fragen zunächst einmal viel, viel wichtiger als Antworten. Allzu rasche Antworten sind zumeist billig, voller Vorurteile, gegenüber wem auch immer. Die Staatstrauer ist auch diesbezüglich wichtig: als die Zeit, in der wir nicht sofort politische Antworten haben müssen.
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