Nach Amoklauf: Voller Fokus auf die jugendliche Psyche

AMOKLAUF IN GRAZ: TRAUER
In Ausnahmesituationen, wie nach dem Amoklauf, ist Österreich gut aufgestellt, auch bei der psychologischen Betreuung. Im Alltag hakt es noch.
Agnes Preusser

Agnes Preusser

Es sei „kaum zu fassen, dass man ein Mädchen, welches so lebensfroh, energisch, tapfer und hilfsbereit war, so früh verlieren muss. Du warst die Schwester, die ich mir genau so auch immer wünschen würde.“ Das sagte der große Bruder einer getöteten 15-jährigen Schülerin in seiner Trauerrede

Was die Familien, Mitschülerinnen und Mitschüler und Lehrkräfte psychisch stemmen müssen, ist ebenso kaum zu fassen. In Graz und an den Schulen leisten Psychologen gerade großartige Arbeit, bei Hilfestellungen in Ausnahmesituationen ist Österreich gut aufgestellt.

Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das psychologische Auffangnetz auch im Alltag engmaschiger werden muss, gerade für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. 

Die psychischen Belastungen werden immer größer, vor allem Social Media ist ein Brandbeschleuniger, sowohl was Mobbing als auch die Flut an negativen Eindrücken, extremistischen Inhalten und Gewaltdarstellungen betrifft. Dass zudem die psychischen Probleme bei jungen Menschen seit der Coronapandemie gestiegen sind, ist evident.

Der Amokschütze in Graz war Anfang 20. Es ist vielleicht blauäugig zu denken, dass man Personen mit diesem hohen Maß an Gewaltbereitschaft von ihren unentschuldbaren Taten hätte abbringen können. Auszuschließen ist es aber nicht. Zudem gilt: Nur weil man die eine ganz große Katastrophe nicht verhindern kann, heißt das noch lange nicht, dass man gesamtheitlich nicht umso mehr bewirken kann.

Kinder brauchen das notwendige Handwerkszeug, um sich selbst schützen zu können, aber auch zu erkennen, wenn jemand anderer Hilfe braucht – und vor allem müssen Erwachsene da sein, die ebenfalls darauf schauen und als Ansprechpersonen fungieren. Alles auf Lehrerinnen und Lehrer abzuwälzen, deren Anforderungen auch immer höher werden, wird nicht funktionieren.

Das Thema kommt langsam auch in der Politik an. Das Budget für mehr Schulpsychologinnen und Schulpsychologen ist vonseiten des Bundes abgesichert, wie es beim Bildungsministerium heißt. In Wien gibt es Pilotprojekte, wo dank multiprofessioneller Teams psychosoziale Unterstützung angeboten wird. Diese zaghaften Schritte könnten ruhig forscher ausfallen. Noch mehr Aufholbedarf ist bei der Nutzung von sozialen Medien, denen Kinder und Jugendliche nach wie vor beinahe schutzlos ausgeliefert sind.

Darum volles Augenmerk auf die kindliche Psyche. Der gesellschaftliche Lohn kann nicht höher sein: jede einzelne Trauerrede, die Brüder und Schwestern nicht halten müssen.

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