Zeit zu handeln: Online-Hass ist eine Bedrohung der Demokratie
Es gibt keinen Mangel an Krisen. Und es gibt keinen Mangel an politischen Debatten darüber, ob die entsprechenden Gegenmaßnahmen – gegen Teuerung, gegen Corona (gibt’s da noch welche?), gegen die drohende „Gas-tastrophe“ – ausreichend sind.
Diejenige Krise aber, die droht, die dauerhaftesten und tiefstgehenden Schäden zu hinterlassen, wird kaum beachtet und noch weniger bekämpft. Längst ist der neue Hass, der sich in den Social Media so verlockend leicht aufbaut, zur Bedrohung all dessen geworden, was politischer und gesellschaftlicher Konsens war und sein sollte.
Es brodelt online. Wie sehr, das sah man in Österreich zuletzt auf tragische Art.
Was sich da zusammenbraut, droht – wenn nicht bald dagegen angegangen wird – von der persönlichen zur großen demokratiepolitischen Katastrophe zu werden.
Ein nennenswerter Prozentsatz der Bevölkerung hat sich in den Sozialen Medien meinungsradikalisiert. Und aus dem Anspruch ausgeklinkt, jene Graubereiche, Ambivalenzen oder komplexen Argumente, die die Demokratie braucht, zu ertragen.
Das betrifft zwar vorderhand die Säume der Gesellschaft (und zwar jeder politischen Richtung, auch der progressiven). Dennoch hat man schon zu oft zusehen müssen, wie Menschen aus der bürgerlichen Mitte abbiegen und zum Hetzer, zum Verbalmobber und Säer von Hass werden. Die Menschen vergiften sich im Internet, und das belastet zunehmend die „echte“ Welt.
Hilf- und lustlos
Die Politik – selbst eines der größten Opfer dieses Hasses – steht diesem Phänomen hilf- und lustlos gegenüber. Man – alle Seiten! – benützt die Erregbarkeit für eigene Zwecke; den Schaden am großen Ganzen ignoriert man. Das ist ein verheerender Fehler. Wenn etwas passiert, verweist man auf Justiz und Polizei. Ob die Exekutive erweiterte Werkzeuge gegen Online-Hass braucht, ist eine hochfragile Debatte, die mit kühlem Kopf geführt werden muss. Klar ist aber auch: Polizei, Justiz können keine gesellschaftlichen Probleme lösen.
Und dazu ist der Online-Hass längst geworden. Er sickert in den Alltag, in die Familien, in die Nerven der Politiker, in die Medien, die von der Polarisierung verlockt werden.
Es muss gegengesteuert werden
Diesem Hass muss gegengesteuert werden. Und zwar jetzt, und so groß gedacht wie bei den anderen Krisen. Klein-klein-Debatten bringen hier nichts. Es braucht Großes: ein entschlossenes Unterhaken der breiten Gesellschaft und gemeinsames Ächten jener, die unter Missbrauch der Meinungsfreiheit die Gemeinschaft zerstören. Es braucht Hilfe für jene, die sich online verlieren, und klare Folgen für jene, die dieses Verlorensein ausnützen.
Und es braucht vieles mehr. Zum Beispiel die volle Aufmerksamkeit diesbezüglich kompetenter Politiker. Denn auch Demokratien müssen gegen sie gerichtetem Hass mit Stärke begegnen. Sonst verlieren sie sich.
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