Freiheit und Demokratie leider auf dem Rückzug

Das westliche, liberale Gesellschaftsmodell war nach dem Krieg klar überlegen.Das ist plötzlich nicht mehr so.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Vor fast 50 Jahren erregte das Buch eines Franzosen weltweit Aufsehen: Der Publizist Jean Jacques Servan-Schreiber beschrieb "Die amerikanische Herausforderung". Dabei warnte er nicht nur vor der Überlegenheit der amerikanischen Industrie durch schnellere Computer und bessere Produktionsmethoden, sondern vor allem vor dem Scheitern Europas.

Nur zehn Jahre nach Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sah Servan-Schreiber eine gemeinsame Zukunft Europas schon sehr trübe, denn die Staaten seien im Retourgang Richtung Nationalismus. Deshalb trat er schon damals für Mehrheitsentscheidungen im Rat der Regierungschefs ein und appellierte an gemeinsame Vorhaben von europäischen Industrieunternehmen und Universitäten.

Immerhin war damals die Überlegenheit von Demokratie und Freiheit unbestritten. Die Weltordnung war ja klar: Zwei atomare Supermächte hielten einander in Schach, wobei die freiheitlichen USA wirtschaftlich weit überlegen waren. In China tobte die Kulturrevolution, Deng Xiaoping durfte erst zehn Jahre später seine Landsleute auffordern, "sich zu bereichern". Westeuropa hatte sich vom Krieg erholt, Demokratien – wieder – aufgebaut und stellte weltpolitisch keine Ansprüche.

Heute steht China, ebenso diktatorisch regiert wie turbokapitalistisch organisiert, im Mittelpunkt. Die USA orientieren sich Richtung Pazifik, das autoritär regierte, wirtschaftlich schwache Russland versucht, sich bei China anzuhängen und im Nahen Osten Weltpolitik zu machen. Dazu kommt die seit Jahrzehnten sich entwickelnde Globalisierung, die durch die Digitalisierung aller Bereiche von Wirtschaft und Kommunikation, ja unseres gesamten Lebens eine ungeheure Dynamik bekommen hat. Dieser Prozess ist für viele so verwirrend, dass große Unsicherheit ausbricht. Und plötzlich strebt vor allem die verunsicherte Mittelschicht nicht nach mehr Freiheiten, sondern begeistert sich für autoritäre Führer. Oder muss einen wild gewordenen Sultan ertragen, der sich im Bunde mit Putin plötzlich allmächtig fühlt.

Trump: Unsicherheit überall auf der Erde

Unbegreiflich bleibt das Phänomen Trump, egal, wie die Wahl ausgeht. In den USA gilt Schwindeln an der Uni schon als übles Delikt.Trump aber hat auf Lug und Trug zunächst seinen Reichtum und dann seinen Wahlkampf aufgebaut. Seine wenigen Vorschläge zur Wirtschaftspolitik würden vor allem seinen Unterstützern schaden.

Vor allem aber würde Trump die weltpolitische Unsicherheit weiter vergrößern. Wir leben nicht nur wirtschaftlich in Zeiten einmaliger Veränderungen. Putin ist ökonomisch schwach, aber politisch stark genug, um den Nahen Osten zu dominieren und Europa zu spalten. Aber auch eine Präsidentin Clinton würde sich um den alten Kontinent weniger kümmern. Es wird Zeit für Europa, gemeinsam und stark aufzutreten, um Wohlstand zu erhalten, der nur in Freiheit Sinn macht. Heute sind wir Europäer selbst unsere größte Herausforderung.

Kommentare