Empört euch? Bildet euch!

Es gäbe eine Medizin gegen die Vertrumpisierung der Welt. Sogar ohne unerwünschte Nebenwirkungen.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Es gäbe eine Medizin gegen die Vertrumpisierung der Welt. Sogar ohne unerwünschte Nebenwirkungen.

von Gert Korentschnig

über Versäumnisse im Bildungsbereich

Bei den Salzburger Festspielen hat an diesem Sonntag "Die Liebe der Danae" von Richard Strauss Premiere. Darin geht es um einen antiken Stoff rund um Jupiter und den sagenhaften Midas. Die tiefere Bedeutung der Oper, deren geplante Uraufführung 1944 nach dem Attentat auf Hitler abgesagt wurde, besteht jedoch in der Angst des Komponisten (der selbst in einer Art Weltflucht lange Zeit die Augen verschloss) vor dem endgültigen Untergang einer Epoche, vor dem Ende jenes Europa, an das er sich klammerte, vor dem Abschied vom Bildungsbürgertum.

Kommt uns das bekannt vor? Befinden wir uns auch in einer Zeitenwende mit ungewissem Ausgang? Droht wieder der Verlust vieler unserer Werte? Um diese Fragen zu bejahen, muss man keiner jener Esoteriker sein, die aktuelle Entwicklungen mit einer Sternenkonstellation begründen, wie es sie zuletzt zur NS-Zeit gab.

Mutmaßliche Nachkommen der Aufklärung sind bereit, jemanden wie Trump zum Präsidenten zu wählen. Ein Mutterland der Demokratie entschloss sich allen Ernstes, aus der EU auszubrechen. Auf der anderen Seite des Spektrums kann man in einem Land, das sich seit langem um Beitritt bemüht, Auswüchse von Autokratie studieren. Bei unseren Nachbarn wiederum ist die Stimmung so gekippt, dass die Kanzlerin, der viele schon den Nobelpreis gegönnt hätten, zur Buhfrau wurde. Aber auch in Österreich wird gezündelt, dass es keine Freude ist.

Gut/Böse, Schwarz/Weiß

Die Mechanismen sind in vielen Fällen ähnlich: Politiker agieren verantwortungslos und suggerieren den Menschen die Vorzüge von Egoismus; zahlreiche Medien machen quotengierig mit, operieren mit billigen Schlagzeilen statt mit komplexen Analysen; und viele Wähler, Seher und Leser verlangen in dieser aufgeheizten Situation rasche Antworten. Es gibt nur noch Gut/Böse, Schwarz/Weiß, ein Heute ohne Morgen. Simplifizierungen, verbunden mit Vorurteilen und Ausgrenzung, haben schon manche Regime an die Macht gespült.

Hinter all dem steckt heute ein Grundübel: eklatante Versäumnisse im Bildungsbereich über Jahrzehnte hinweg. Darauf hat etwa jüngst der Dirigent Franz Welser-Möst im KURIER hingewiesen. Und auch Minister Thomas Drozda betonte bei der Salzburger Festspieleröffnung die zentrale Bedeutung von Bildung und Kultur.

Jene Konsumenten, die heute primär User sind, wollen lieber schnelle Likes statt fundierter Auseinandersetzung. Grenzen auf oder Grenzen zu, Daumen rauf oder runter – das zählt statt ein Blick zur Wissenschaft oder zurück in die Geschichte. Zuletzt war der islamische Religionsphilosoph Ahmad Milad Karimi in der Ö 1-Sendung "Im Gespräch" zu hören. Und er erklärte, dass Lessings "Nathan der Weise" zutiefst islamisch geprägt sei und auf dem Koran-Zitat "Wetteifert in guten Taten" basiere. Dass Goethe die 114. Sure des Koran (ein Plädoyer für Gott und gegen die Einflüsterer) selbst auf Arabisch niederschrieb. Oder dass Aufklärung und Islam bezüglich Gelehrsamkeit nicht zwingend ein Widerspruch sei. Aber wer will so etwas heute schon wissen?

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