Keine Lust mehr auf Politik-Politik

Warum die Grünen – wahrscheinlich bald auch in Österreich – so stark im Aufwind sind.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Jetzt (rein zeitlich gemeint, keinesfalls als Listenname) ist die grüne Katze, besser gesagt der grüne Kater aus dem Sack: Werner Kogler kandidiert auf dem ersten Listenplatz für den Nationalrat und nimmt das EU-Mandat nicht an. Der Polit-Haudegen, eine Mischung aus Kumpeltyp und neuer grumpy cat, verweigert also den Job, für den er gewählt wurde. Ja darf er das? Er muss es sogar, alles andere wäre fahrlässig. Erstens hat er beste Chancen, die viele Monate lang scheintoten Grünen wieder zum parlamentarischen Leben zu erwecken. Zweitens ist es, die Brüsseler Spitzen in Ehren, irrelevant, wer für die Grünen dort sitzt. Siehe Sarah Wiener – ’tschuldigung, nur politisch, nicht persönlich gemeint.

Wagen wir doch eine Prophezeiung, weil demnächst ohnehin niemand mehr weiß, was prophezeit wurde (’tschuldigung auch an euch, liebe Meinungsforscher): Kogler und die Grünen werden am Wahlabend des 29. September als eine Gewinnerpartei dastehen, sie können den biodynamischen Wein schon mal einkühlen. Sie werden eindrucksvollst die Rückkehr ins Parlament schaffen, allein schon deshalb, weil es nicht sein kann, dass der Pilz dort der einzige verbliebene Grünschnitt ist. Und sie werden vielleicht sogar eine Rolle bei der Regierungsbildung spielen.

Achtung, Zombies!

Aber warum eigentlich? Warum rechnet so gut wie jeder mit dem Comeback der „Walking Dead“? Warum werden vielleicht sogar sie ein längeres Leben haben als so manche andere heute erfolgreiche Polit-Zombies?

Weil sie ein klares Profil haben und, so zynisch es klingen mag, die einzigen Polit-Profiteure des Klimawandels sind. Manche Erwachsene mögen Greta Thunberg skeptisch beäugen, die meisten Jugendlichen fahren voll auf sie ab – sie ist darob ein wandelndes Wahlplakat. Wer mit 16 zum ersten Mal abstimmen darf, wird möglicherweise nicht einmal auf die Idee kommen, dass man sein Kreuzerl woanders als bei den Grünen machen könnte. In Deutschland ist die Partei bei Umfragen sogar schon Nummer 1.

Weitere grüne Gründe: Sie haben eine eindeutige Haltung zur Migration, als Gegenposition zu den allerorts Regierenden – wenn man so will, schaffen die Grünen als einzige einen nicht-ausländerfeindlichen Populismus; die Grünen waren zuletzt nicht im Parlament, konnten sich also beim Festschmaus im Zuge der Regierungsabwahl nicht anpatzen; und die meisten ihrer Themen sind „instagrammable“, also auf Instagram ohne viel Text nur per Foto darstellbar.

Das ist es, was Menschen heute wollen: Politik, die für Menschen relevant ist, und nicht Politik-Politik, also die Pervertierung der eigentlichen Idee durch Machtspiele und Eitelkeiten im Wolkenkuckucksheim. Vor allem aber: Die Grünen sind längst nicht mehr eindeutig links, sondern viel bürgerlicher, als sie selber es vielleicht wahrhaben wollen. Ihr Erfolg bringt einen weiteren mit sich: die Aufhebung der dummen Gegensatzpaare.

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