Kehren wir von der "Emokratie" zur Demokratie zurück

Kehren wir von der "Emokratie" zur Demokratie zurück
Es herrscht schlechte Laune, nur zum Teil ist sie gerechtfertigt. Emotionslos betrachtet hat die Regierung auch etwas weitergebracht.
Martina Salomon

Martina Salomon

"Ich bin in der Raab/Figl-Zeit aufgewachsen und glaube, dass keine Regierung seither so ein schlechtes Niveau hatte wie die jetzige", sagt ein KURIER-Leser, und man ist zunächst einmal geneigt zuzustimmen: Wo bitte ist die dringend nötige Erhöhung des Pensionsantrittsalters samt Anreizen für längeres Arbeiten? Was geschieht gegen die schleichende Privatisierung der Gesundheitskosten, was gegen das Verfehlen einfachster Bildungsziele? Woran scheitert der Leitungsausbau für die Ökoenergie, und warum ist die Arbeitsmarktreform blockiert? In der Gesundheitspolitik macht die seit 100 Jahren bekannte Aufsplitterung der Kompetenzen Reformen schier unmöglich. Beim Thema Arbeitsmarkt muss der Druck wohl noch stärker werden. Die fehlenden Stromnetze kosten uns tatsächlich Milliarden. Und manches wagt die Koalition nicht, oder sie ist uneinig.

Aber: Kaum eine Regierung der Zweiten Republik hatte mit Pandemie, Kriegsfolgen und Teuerung derartig viele Krisen zu bewältigen. Und dann wurde auch noch ein amtierender Kanzler von einer Koalition aus eigenem Regierungspartner und Opposition gestürzt (samt endlosem Ibiza-U-Ausschuss, wo sich niemand mehr auf das Ausgangsthema, aber dank der Schmid-Chats alle auf die Kanzlerpartei konzentrierten). Grün und Rot hatten plötzlich keine Berührungsängste mit Blau. Daher ist auch manch lautstarke Wehklage über den Aufstieg der Rechten scheinheilig.

"Die Debatte ist zu schrill", stellte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer im KURIER-Interview fest. Stimmt, im Getöse geht unter, dass es in dieser Regierung nicht nur unbedachte Kanzler-Sager und Misserfolge gab. Sie hat immerhin einen Riesenschritt mit der Abschaffung der Kalten Progression und dem Ende des Amtsgeheimnisses getan, trieb trotz Differenzen die Klimapolitik voran und versuchte nicht ganz erfolglos, die Asylströme einzudämmen.

Auch wenn die SPÖ-Strategie einen "Armutswahlkampf" empfiehlt, lässt sich außerdem nicht leugnen, was der Budgetdienst des Nationalrates festgestellt hat: Niedrige Einkommen sind in der Krise real stärker gestiegen. Das Problem waren die zu früh und zu wahllos verteilten Milliarden. Damit wurde letztlich die Inflation befeuert.

Ja, es mehren sich die Anzeichen für eine Rezession. Aber weder gibt es gefährlich hohe Arbeitslosenzahlen noch massive Konsumeinbrüche. Nur viel schlechte Laune. Das nutzt rechten und linken Populisten. Es liegt an Regierung und Opposition (aber auch an Medien), den Ton wieder zu mäßigen. Die Justiz möge endlich die Vorwürfe gegen das Team von Sebastian Kurz klären. Mehr als zwei Jahre Ermittlungen sollten dafür eigentlich reichen. Und dann kehren wir von der "Emokratie" (O-Ton Politikwissenschaftler Hofer) bitte wieder zur normalen Demokratie zurück.

Martina Salomon

KURIER-Herausgeberin Martina Salomon

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