Paralleluniversum
Es wäre eine positive Entwicklung, wenn man sich endlich von der Ebene persönlicher, wechselseitiger Diffamierung verabschieden könnte. Vielleicht haben ja die dramatischen Wahlverluste der
SPÖ auch damit zu tun, dass sie manchmal zum Spielball irrlichternder, aggressiver Funktionäre vom linken Rand geworden ist, die auch die eigenen Leute nicht verschonen. Bei den Ökos macht gerade die „Grüne Jugend“ mobil und will „Kurz abschieben“. (Erinnern Sie sich noch an die Wickel, die Eva Glawischnig mit dieser Gruppe hatte?) Für viele Kritiker bleibt Sebastian Kurz wahrscheinlich weiterhin ein seelenloser Karrierist und gefährlicher Rechter. Und manche auf der anderen Seite des politischen Spektrums warnen vor „Kommunisten“ in der neuen Regierung.
Aber selbst der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda
Austria räumt ein, dass die Befürchtung, der heimische Wirtschaftsstandort werde von einer „planwirtschaftlich gesteuerten Ökologisierungswalze plattgemacht“, nicht wahr geworden ist. Gleichzeitig hat Türkis-Grün auch Punkte im Programm, die selbst die SPÖ gut finden müsste: Armutsbekämpfung etwa oder ein neues „Klima-Ticket“. Exakt dasselbe haben die Sozialdemokraten im Juli 2019 gefordert. Die Blauen wiederum sehen einige ihrer Regierungsprojekte fortgeführt.
Daher könnten sich jetzt einmal alle einkriegen. Wobei das Twitter-Paralleluniversum ohnehin kaum etwas mit der Realität zu tun hat. Vor allem außerhalb
Wiens tickt man anders – auch die Politik. Sonst hätte Schwarz-Grün nicht in drei Bundesländern so weitgehend reibungslos funktioniert. Natürlich sind die Themen in der Bundespolitik kontroversieller. Sollte eine größere Migrationswelle kommen, wird es schwierig. Für diesen Fall wurde ein koalitionsfreier Raum paktiert, den man sich noch nicht recht vorstellen kann. Wie wärs, wenn sich inzwischen alle Parteien, nicht nur die FPÖ, von ihrem sprichwörtlichen „Narrensaum“ trennen würden? Die Bürger haben Sehnsucht nach politischer Stabilität und Vernunft.
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