Man möchte meinen, dass diese Fülle an monumentalen Veränderungen spannende politische Debatten auslöst. Dass erklärt, erforscht, analysiert und gestritten wird: über die Relativierung individueller Freiheit durch die Pandemie; über die wechselseitige Bedeutung von Marktwirtschaft und Demokratie angesichts asiatischer Konkurrenzmodelle; über die erstaunliche Wissenschaftsfeindlichkeit in Teilen der Bevölkerung; über die negativen Folgen einer Gier-Ökonomie und vieles mehr.
Aber was bekommen wir stattdessen von der Politik geboten? Die Kanzlerfrage in Deutschland wurde debattiert anhand von ein paar falschen Zitierungen durch Frau Baerbock und eines deplatzierten Lachers des Unions-Kandidaten.
In Österreich reden wir über die Blutwerte von Herrn Kickl und Hausmittel seiner Oma gegen Erkältungen.
Auch die seriösen Parteien enttäuschen. Die SPÖ ergeht sich in den immer gleichen Parolen, nicht einmal der fünfte Platz in Graz reißt die Sozialdemokraten aus ihrer achselzuckenden Wurschtigkeit.
Auch die ÖVP lässt aus. Sie besetzt zwar fast alle wichtigen Funktionen in dem Land, aber interessante Denkanstöße oder Debattenbeiträge? Nullmeldung.
Wenn der Kanzler durch die Welt jettet, kriegen wir Fotos von bedeutenden Shakehands geliefert, aber keine erhellenden Erkenntnisse. Angela Merkel geht regelmäßig in den Bundestag und erklärt dort die Welt und ihre Politik – Sebastian Kurz stellt sich keinen Diskussionszirkeln, hält keine großen Reden, gibt keine Erklärungen ab.
Dabei liegen Themen wie die Sterbehilfe auf dem Tisch, die sich ausführliche Diskussion und breiten Konsens verdienen würden. Doch Türkis und Grün lassen niemanden teilhaben an ihrer Entscheidungsfindung, am Abwägen von Argumenten, am Für und Wider. Es werden fertige Texte zugestellt und fast forward durchs Parlament gedrückt.
So entsteht ein politikfreier Raum. Den dann – siehe Oberösterreich und Graz – manchmal halt andere füllen.
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