Halbzeit, aber leider kein Schlusspfiff

Donald Trump hat in seiner bisherigen Amtszeit viel erreicht – eigentlich wäre es längst genug.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Am Sonntag wird es zwei Jahre her sein, dass Donald Trump bei der größten Zeremonie aller Zeiten – naja, vielleicht auch der zweitgrößten – als US-Präsident angelobt wurde. Halbzeit! Im Fußball wären 45 Minuten vorbei für den 45. Präsidenten – und der Trainer würde die Auswechslung überlegen. Ab unter die Dusche. Können wir uns abschminken.

Stattdessen wird Trump auch in der zweiten Hälfte wie ein wildgewordener Stürmer aufs gegnerische Tor laufen und ein Foul nach dem anderen begehen. Wie auch immer das Spiel endet: Es wird das beste aller Zeiten gewesen sein – naja, vielleicht das zweitbeste.

Aber was hat Trump seit diesem 20. Jänner 2017, diesem zäsurhaften Tag, den er am liebsten mit einer Zensur für alle Nicht-Donaldisten verbunden hätte, verändert? Hat er vielleicht sogar Gutes bewegt? Er hat . . .

. . . Medien besser gemacht. US-Journalismus erlebt eine Hochblüte. Weil dieser durch permanente fake news-Vorwürfe besonders qualitätsvoll agieren muss. Und weil Reporter gezwungen sind, knallhart zu recherchieren, statt sich mit platitüdenhaften O-Tönen abspeisen zu lassen. Die Zeit affirmativer Interviews ist vorbei. Vielleicht auch bald in diesem Theater namens Österreich.

. . . das Bild eines Politikers auffrisiert, Egomanie durch Hoffart hoffähig gemacht und sogar andere zuletzt auffällig gewordene Staatsmänner übertrump(f)t.

. . . bewährte Werte wie ein Hurricane verblasen: Lügen oder alternative Wahrheit sind die neue Währung, Stabilität (bis hin zur NATO-Zugehörigkeit) ist keine Kategorie mehr, Schamlosigkeit eine Zierde.

. . . Europa aus der Komfortzone geboxt: Mit einem Schlag war der Kontinent wieder auf sich selbst gestellt.

Ein Fall für den großen Elmayer

. . . Benimmregeln außer Kraft gesetzt: Wie er bei Fototerminen andere Regierungschefs aus dem Weg checkte und sich sogar gegenüber der Queen rüpelhaft gerierte, ist einzigartig. Sein Verhalten gegenüber Frauen war ohnehin indiskutabel, der pussygraber bestimmte auch die #MeToo-Debatte atmosphärisch mit.

. . . bei allen wirtschaftlichen Erfolgen im eigenen Land (die es über weite Strecken tatsächlich gab) für einen ökonomischen Wandel gesorgt, dessen Konsequenzen noch gar nicht absehbar sind: durch die Auflösung von „Chimerika“, also die wirtschaftliche Totalverflechtung zwischen China und Amerika.

. . . die Kommunikation mit der Außenwelt durch den Twitter-Wahnsinn aggressiver gemacht und simplifiziert.

. . . Vladimir Putin als großen Player zurückgebracht.

. . . Politik als Hochamt des family business etabliert.

. . . Entscheidungen wie etwa zuletzt den Rückzug aus Syrien ohne Rücksicht auf Konsequenzen getroffen.

. . . die Hoffnung auf eine Eindämmung der Klimakatastrophe marginalisiert.

 . . . und und und. Zu Beginn der zweiten Hälfte sind gelernte demokratische Prozesse mehr oder weniger außer Kraft gesetzt, und seine Wähler müssten längst die Selbsterniedrigung spüren, für die sie gestimmt haben. Aber die radikale Fantribüne jubelt weiter.

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