Das ist ein Spiel mit einem Feuer, das die Kraft hat, die türkis-grüne Koalition zu sprengen. Seit dem Ibiza-U-Ausschuss, seit dem Abgang von Sebastian Kurz als Kanzler ist sie ohnehin nur noch eine schmerzhafte Zweckgemeinschaft, die zur Abwehr von Neuwahlen aufrechterhalten wird. Doch jetzt könnte Leonore Gewessler den Bogen überspannt haben, weil sie einen Konflikt der Kanzlerpartei mit deren Landesorganisationen angezündet hat. Diese fordern von ihrer Bundesführung Antworten, warum sie das alles der Verkehrsministerin ohne Widerstand durchgehen lässt. Und sie bilden deswegen Achsen mit der SPÖ, weil sie keinen anderen Weg mehr sehen. Die bedeutendste ist jene zwischen Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig und der niederösterreichischen ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die gemeinsam rechtliche Schritte gegen die Straßen-Streichorgie der Ministerin in Angriff nehmen wollen.
Ungewöhnliche Allianz
Bemerkenswert ist auch, dass der ÖVP-Klubobmann in Wien angekündigt hat, in diesem Fall auf der Seite des Wiener Stadtoberhaupts zu stehen, obwohl sein Landesparteiobmann niemand Geringerer als Finanzminister Gernot Blümel ist, der mit Gewessler auf der Regierungsbank sitzt.
Eine andere Sache ist, dass die verhinderten Straßenprojekte noch unter der rot-schwarzen Regierung in einem Bundesgesetz verankert worden sind. Auf den ersten Blick mag das die Ministerin nicht kümmern, weil sie über das Straßenbauprogramm der Asfinag den gesetzlichen Auftrag aushebeln kann. Anders allerdings wird die Situation, wenn das Thema – von wem auch immer – ins Parlament getragen wird und darüber dann abgestimmt werden muss. Dann können sich die Grünen nicht mehr sicher sein, dass sich alle ÖVP-Mandatare um des Koalitionsfriedens willen auf die Lippen beißen und mitziehen.
Leonore Gewessler liebt das Risiko. Beim Klimaticket für den Öffentlichen Verkehr ist das trotz einiger Abstriche aufgegangen. Wenn sie jetzt auch noch mit den abgesagten Straßenprojekten durchkommt, ist sie die große Siegerin dieser türkis-grünen Koalition. Wenn nicht, dann wird sie wohl zusehen müssen, wie eine nächste Regierung die Straßenprojekte doch noch verwirklichen wird. Gleichgültig, ob die ÖVP oder die SPÖ an der Spitze steht.
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