Zeitgerechtigkeit statt Teilzeitbashing

Warum arbeiten Frauen auch 2025 noch Teilzeit und zahlen dafür ein Leben lang drauf? Diese Frage müssen wir uns als Gesellschaft endlich ehrlich stellen.
Echte Gleichstellung wird nur dann Realität, wenn wir Arbeitszeit fair und partnerschaftlich neu denken. Ohne strukturelle Zeitgerechtigkeit bleiben alle Bemühungen um Gleichstellung bloße Symbolpolitik.

Manuela Vollmann
Mehr als die Hälfte
Über 50 % der Frauen in Österreich arbeiten Teilzeit. Viele nicht freiwillig, sondern weil sie zwischen Job, Kindern, Pflege und unbezahlter Hausarbeit jonglieren – Aufgaben, die strukturell nach wie vor an ihnen hängen bleiben.
Die Folge: niedrigere Einkommen, weniger Karrierechancen, massive Pensionslücken. Der Gender Pension Gap beträgt aktuell rund 40 %. Die sogenannte „Teilzeitfalle“ ist keine private Fehlentscheidung, sondern eine Falle der Gesellschaft und Wirtschaft.
In der Debatte um Gleichstellung wird Zeit als Ressource oft übersehen. Dabei ist gerade Zeitgerechtigkeit – also eine faire Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit – die Voraussetzung für ein gleichberechtigtes Leben. Wenn Frauen weniger Zeit für Erwerbsarbeit haben, da sie mehr Zeit für unbezahlte Care-Arbeit aufwenden, dann ist das kein individuelles Problem, sondern ein strukturelles.
Die gute Nachricht: Es gibt Lösungen. Seit Jahren plädiere ich für das Modell 30/30. Beide Elternteile arbeiten je 30 Wochenstunden, mit staatlichem Lohnausgleich. Nur wenn beide Elternteile Erwerbsarbeitszeit reduzieren, wird eine Verschiebung von Verantwortlichkeiten gelingen.
Gestärkte Vaterrolle
Dieses Modell schafft Raum für Familie, reduziert die finanzielle Abhängigkeit, stärkt die Vaterrolle und sorgt langfristig für eine nachhaltige Wirtschaft. Es ist ein konkreter Schritt hin zu echter Wahlfreiheit.
Gleichzeitig müssen wir unbezahlte Care-Arbeit sichtbar machen und aufwerten. Sie ist das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Ohne die unbezahlte Arbeit, die täglich geleistet wird, würde unsere Wirtschaft nicht funktionieren. Wann wird diese systemrelevante Leistung endlich als solche behandelt?
Wer pflegt, erzieht, versorgt, soll nicht nur moralisch, sondern auch ökonomisch anerkannt werden. Wir brauchen rechtlich abgesicherte Modelle, wie das 30/30-Modell, die lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle fördern und Familien in ihrer Realität abholen. Wir brauchen strukturelle Reformen und finanzielle Anreize für partnerschaftliche Erwerbsarbeit, die gemeinsame Verantwortung fördern, anstatt klassische Rollenmuster zu belohnen.
Wir brauchen ein faires Sozialsystem, das Care-Arbeit nicht unsichtbar macht, sondern endlich als gleichwertigen Beitrag zur Gesellschaft anerkennt.
Denn Gleichstellung beginnt dort, wo Zeit – und somit Chancen – gerecht verteilt werden.
Zur Autorin:
Manuela Vollmann ist Arbeitsmarkt- und Gleichstellungsexpertin, Gründerin und Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA, eine NPO für Gleichstellung von Frauen und Männer am Arbeitsmarkt und Wirtschaft.
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