WKO: Der Fehler liegt im System – und nicht allein beim Präsidenten
Der Sturz, anders kann man den Abgang von Harald Mahrer nicht bezeichnen, ist typisch für die ÖVP. Die „Fehler“ hat der Präsident der WKO nicht im Alleingang gemacht, sondern die gesamte Führungsnomenklatura des Wirtschaftsbundes im Einklang und in Abstimmung. Nur die Zweitreiher, die sich selbst so gerne an der Spitze sehen würden, haben dann, als die Welle der Entrüstung nicht mehr einfangbar war, feuchte Unterwäsche bekommen. Die ÖVP funktioniert wie die Paschtunen im Hindukusch, in jedem Tal ein Warlord – oder eine entsprechende feminine Spezies – im Alpenland, die den gesamten Tag aufeinander schießen. Einmal im Jahr treffen sich diese zur Stammesversammlung der Loja Tschirga in Kabul, beten auf dem wunderbar geknüpften Teppich gen Mekka, und versprechen einander die ewige Treue und Zusammenarbeit, um am Nachhauseweg wieder aufeinander zu schießen. In der ÖVP heißt das dann Bundesparteitag.
Gottfried Schellmann.
Aufgeblasen
Die Kammerorganisation der „Wirtschaft“ war immer eine völlig aufgeblasene Organisation, mit mehr als 700 Körperschaften öffentlichen Rechts. Ihr Präsident konnte nur moderieren, mehr nicht, weil die Funktionäre in Wahlgängen zu ihren Fachorganisationen demokratisch legitimiert sind. Der Wirtschaftsbund, der die Kammer beherrscht, ist politisch ein besonderer Früchtchenhaufen, der überall affichiert, „mehr Netto vom Brutto, die lohnabhängigen Abgaben müssen weg“, aber die Kammer selbst mit mehr als einer halben Milliarde aus solchen Abgaben finanziert. Wenn man die Wortmeldungen der Präsidenten und Präsidentinnen gesehen hat, dann bleibt nur ein Urteil: hier fuhrwerken Personen, die schwerst am zu großen Unterschied zwischen eingebildeter und gottgegebener Begabung leiden. Frau Thaler, die Präsidentin der Kammer Tirol tat sich besonders hervor, als ob Harald Mahrer irgendetwas bei der eigenen Erhöhung ihrer Funktionärsentschädigung zu sagen gehabt hätte.
Die Kammer stellt gute Dienstleistungen zur Verfügung, in allen Rechtsbereichen, im Außenwirtschaftsrecht, wie Zollrecht und hat gute Experten. Auch die Informationen über die aktuellen Fragen und Änderungen für die Mitglieder sind hervorragend. Das passiert alles digital. Dazu braucht es weder Herrn Ruck noch Frau Thaler. Wenn Sie meint, sie wäre so viel unterwegs, dann sind das überwiegend Präsenztermine zum in die Kamera grinsen und ins Netz stellen. Braucht niemand.
Die Außenwirtschaftsorganisation, eine nur historisch erklärbare österreichische Besonderheit, leistet gute Arbeit und hat ihre Meriten. Dass es zu konkurrenzierenden Momenten mit dem Außenministerium gekommen ist, oder immer noch kommt, ist so selbstdarstellerischen Charakteren wie Christoph Leitl zuzuschreiben. In der EU hat die Kammer kaum eine Stellung, weil sie nicht Mitglied der prägenden Unternehmensvertretung Business Europe sein kann. Die lässt keine Mitglieder zu, deren Grundlage die Pflichtmitgliedschaft ist. Als Ersatzmaßnahme hat Leitl unnötige Kleinvereine in Brüssel initiiert, um im ahnungslosen Inland Einfluss vorzutäuschen. Auch die Präsidentschaft bei Eurochambers wurde völlig überbewertet, sind doch von dort kaum Experten in den unterschiedlichen Arbeitsgruppen bei der Kommission feststellbar. Der Dänische Unternehmensverband ist nicht einmal Mitglied dort, aber Mitglied der Umsatzsteuerexpertengruppe.
Zu viele Körperschaften
Die AK ist bei der Arbeit auf europäischer Ebene viel effektiver, in dem sie gut zahlendes außerordentliches Mitglied der ETUC ist, dem Europäischen Gewerkschaftsverband. Sie hat auch ihre Experten, wie Oliver Röpke, in den Institutionen verankert.
Die Kammerorganisationen sind Ergebnis viel zu vieler Körperschaften, die politisch eingerichtet sind. Das ist auch die Schuld der Länder und Gemeinden, die seit 80 Jahren eine verfehlte Politik gegen den Bund machen. Dem Sektor Staat sind für die Berechnung der Defizite und Schulden 5.607 Körperschaften zuzurechnen, in Dänemark sind es z.B. nur rund 600.
Das österreichische politische System ist nur für den steigenden Markt gebaut, im fallenden taumeln alle hilflos im Kreis. Es gibt eine viel zu dichte, unfähige politische Nomenklatura, die wir bezahlen müssen. Die Wirtschaft muss als erstes mit einer Bereinigung beginnen.
Zum Autor:
Gottfried Schellmann ist Wirtschaftsexperte und Steuerberater. Er ist Mitglied im Wirtschaftsbund.
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