Wirtschaftskammer: Es geht um Verantwortung und Glaubwürdigkeit
In den vergangenen Tagen ist viel über Harald Mahrer und seine Wirtschaftskammer gesprochen worden – nicht über Themen, Lösungen und Forderungen, welche die Wirtschaft wirklich dringend braucht. Gesprochen wurde über Pfründe, ausufernde Funktionärsentschädigungen, Gehaltserhöhungen über Inflationsraten, eingeräumte Fehler und mögliche Personalkonsequenzen. Solche Meldungen und Vorgänge irritieren nicht nur – sie richten nachhaltigen und irreparablen Schaden an.
Von 2014 bis 2016 war ich Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft und durfte 120.000 Unternehmerinnen und Unternehmer unter 40 Jahre vertreten. Ein Ehrenamt, das ich mit Überzeugung ausgeübt habe. Denn das System basiert auf einer richtigen Grundidee: Erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer vertreten Unternehmerinnen und Unternehmer. Leistungsträger für Leistungsträger. Pragmatiker statt Paragrafen-Profis. Menschen, die Wert schaffen – nicht verwalten.
Herbert Rohrmair-Lewis
Entfernt vom Kern
Heute entfernen wir uns zunehmend von diesem Kern. Von Erfolg und Leistungsträgern keine Spur. Viele Betriebe stehen wirtschaftlich unter Druck – nicht nur global, sondern oft durch die hausgemachten Rahmenbedingungen. Während Energiepreise, Bürokratie, Arbeitskräftemangel und Unsicherheit den Alltag prägen, werden an der Spitze Entscheidungen getroffen, die nicht Zurückhaltung zeigen, sondern Selbstabsicherung und Bereicherung.
Wir erleben wirtschaftliche Schwächetendenzen, Exportdruck und Lohnabschlüsse, die Wettbewerbsfähigkeit gefährden und die Inflation antreiben. Wir sprechen über Rekordarbeitslosigkeit – und gleichzeitig findet man unter zwanzig vom AMS vermittelten Bewerbern oft nur eine Person, die wirklich arbeiten will. Und dann gibt es Behördenabläufe und Abfragen, die so antiquiert wirken, als wären sie noch aus dem Habsburgerreich.
Im Jahr 2025 lag die Wahlbeteiligung bei der Wirtschaftskammerwahl bei rund einem Viertel der Unternehmen. Der Wirtschaftsbund musste Verluste einstecken und verlor wichtige Fachgruppen – u. a. in Wien. Das sind auf ganzer Linie keine Erfolgsstorys. Das ist bereits ein Misstrauensvotum. Wer das übersieht oder kleinredet, hat den Kontakt zur Realität verloren.
Es geht nicht um Gehälter. Es geht um Glaubwürdigkeit. Haltung. Verantwortung. Eine Vertretung, die in schwierigen Zeiten zuerst an die eigenen Bezüge denkt, verliert ihre moralische Legitimation. Und ohne moralische Legitimation verliert man die Fähigkeit, Zukunft zu gestalten.
Alarmglocken
Führung heißt nicht, zuerst zu nehmen. Führung heißt: Zuerst leisten, zuerst zuhören Verantwortung tragen und dazu stehen. Nun wird entschuldigt, argumentiert, Sesselklebstoff angerührt – ganz in der Hoffnung: Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter, da gibt’s nichts zu schauen. Wir sind in Österreich, des sitz’ ma locker aus.
Aber wir sind nicht dumm und hoffentlich reicht das Gedächtnis bis zur nächsten Wahl. Dort wird es heißen: Wo war die Leistung. Und vielleicht – nur vielleicht – schrillen jetzt irgendwo die Alarmglocken. Denn nach einem solchen Desaster kann es kein Tagesgeschäft mehr geben. Jetzt ist ein völliger Neustart notwendig.
Zum Autor:
Herbert Rohrmair-Lewis ist Unternehmer und ehemaliger Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft. Er betreibt Gastronomie- und Beratungsunternehmen in Wien.
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