Wem gehört der Fußball?

Spieler des saudischen Klubs Al-Hilal bei der FIFA Klub-WM gegen Fluminense-Spieler aus Brasilien.
Die Frage „Wem gehört der Fußball?“ ist natürlich rhetorisch.
Den Europäern. Wem sonst? Das Spiel wurde 1863 in England kodifiziert, von dort aus verbreitet und über Jahrzehnte maßgeblich geprägt. Wirtschaftlich steht Europa seit jeher im Zentrum: Die UEFA Champions League ist der weltweit lukrativste Klubwettbewerb, und die fünf großen Ligen (England, Spanien, Deutschland, Italien und Frankreich) dominieren den globalen Markt. Europa ist Geldgeber, Maßstab, vermeintlicher Eigentümer.
Doch gehört der Fußball wirklich Europa – oder ist das ein historisches Privileg, gestützt auf wirtschaftliche Macht und kolonialer Denkweise? Die Südamerikaner, allen voran Brasilien, Argentinien und Uruguay, haben zehn Weltmeisterschaften gewonnen, zahlreiche Fußballerlegenden hervorgebracht und Millionen Herzen berührt. Dennoch wurden sie im globalen Fußballsystem ausschließlich auf die Rolle von Rohstofflieferanten reduziert – Zulieferer für den europäischen Betrieb, nie gleichwertige Akteure auf Augenhöhe.

Bernd Fisa.
Vormachtstellung
Heute wird Europas Vormachtstellung im Fußball herausgefordert – nicht nur sportlich, sondern vor allem machtpolitisch und finanziell. Besonders deutlich zeigt sich das an Saudi-Arabien. Das Königreich investiert nicht aus Jux und Tollerei so viel Geld in Weltklasse-Spieler, sondern im Rahmen der nationalen Vision 2030. Fußball ist Motor einer tiefgreifenden Transformation – weg von der Abhängigkeit vom Erdöl, hin zu einer diversifizierten Wirtschaft (Tourismus, Kultur, Sport, Events).
Was Europas Ligen vorgemacht haben – allen voran die italienische Serie A in den 1990er-Jahren und die englische Premier League ab der Jahrtausendwende –, nämlich den Aufkauf von Stars, das Hochrüsten der Infrastruktur und die internationale Vermarktung über astronomische TV-Gelder, wird nun von Saudi-Arabien konsequent kopiert. Nur: Diesmal kommt das Geld nicht aus Mailand oder Manchester, sondern aus Riad.
Dass dies in Europa Irritationen auslöst, liegt weniger an der Strategie als an der Tatsache, dass andere neuerdings für sich beanspruchen, was Europa jahrzehntelang für selbstverständlich hielt: Die Deutungshoheit im Weltfußball.
Machtverhältnisse
Dabei wird übersehen, dass der Fußball längst nicht mehr nur europäisches Kulturgut ist – sondern globales Massenphänomen. Rund 60 Prozent der Weltbevölkerung leben in Asien – und dazu gehört auch Saudi-Arabien. Während Europa etwa neun Prozent der Menschheit stellt, lebt die große Mehrheit der Fußballbegeisterten in Regionen, die bislang nicht die strukturelle Macht hatten, sie aber zunehmend beanspruchen.
Doch so global der Fußball heute ist – die Machtverhältnisse sind bisher kaum davon berührt. Das zeigt sich exemplarisch am Finale der kürzlich zu Ende gegangen Klub-Weltmeisterschaft zwischen zwei europäischen Topklubs: PSG und Chelsea.
Der Fußball mag allen gehören. Aber er wird weiterhin vorwiegend von den Europäern kontrolliert.
Wieso also die Aufregung?
Zum Autor:
Bernd Fisa ist sportpolitischer Berater, u. a. berät er seit zwei Jahren die Saudi Pro League. Davor beriet der Wiener fünf Jahre lang die FIFA und war Pressesprecher von Formel-1-Legende Michael Schumacher.
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