Weihnachten oder Wissenschaft?
Das Nürnberger Christkind: Wer glaubt denn noch ans Christkind?
Wer in der Weihnachtszeit in die freudvollen Augen von Kindern blickt, spürt die besondere Magie, die diese Zeit umgibt. Vom Öffnen der Adventkalender bis zum geheimen Erscheinen der Wichtel, die als unsichtbare Helfer des Christkindes wirken, reicht die Bandbreite an besonderen Momenten dieser Jahreszeit.
Lassen wir in dieser Erzählung einmal die oft bei Erwachsenen entstehenden Spannungen und die erzwungene Fröhlichkeit beiseite, die manchmal zu Konflikten führen können. Der Geist der Weihnacht ist durchweg positiv konnotiert und ruft zumeist das Beste im Menschen hervor. Er regt zum Innehalten und oftmals zur Versöhnung an. Doch hat ein solches Fest überhaupt noch Platz in einer Welt, in der der Verstand scheinbar die Emotion beherrscht und die Vernunft in der Technik – Stichwort künstliche Intelligenz und Wissenschaft – ihre höchste Form gefunden hat?
Daniel Witzeling.
Überholte Werte?
Für manche Hardcore-Wissenschaftler ist Weihnachten lediglich ein infantiles Event, das auf überholten christlichen Werten basiert. Alles, was zählt, ist die wissenschaftliche Wahrheit, und wie bei Ebenezer Scrooge in Charles Dickens’ „Eine Weihnachtsgeschichte“ zu Beginn, steht am Ende alles im Zeichen des Kapitals. Der Rest wird als naiver „Humbug“ abgetan. Doch auf welcher Seite liegt mehr Naivität? Auf der Seite des Glaubens oder auf der Seite der vermeintlich unumstößlichen wissenschaftlichen Dogmen?
Halt und Orientierung
Kinder sind in ihren Emotionen ehrlich – und je jünger sie sind, desto mehr sind sie ein unbeschriebenes Blatt, wenn man die oft diskutierte Rolle der Genetik und Veranlagung einmal außen vor lässt. In einer Welt, in der Wissenschaft zunehmend alle Antworten zu liefern scheint, geht es doch um mehr als nur Fakten und Erklärungen. Der Glaube und eine gewisse Spiritualität sind, wie zahlreiche Studien belegen, gerade in schwierigen Zeiten von großer Bedeutung. Sie bieten Halt und Orientierung, besonders am Ende des Lebens, wenn Medizin und Technik an ihre Grenzen stoßen.
Oft ist es genau dann, dass selbst die überzeugtesten Wissenschaftsgläubigen eine spirituelle Dimension für sich entdecken. In Krisenzeiten wie denen, die wir heute erleben, sind Feste wie Weihnachten wichtiger denn je. Sie geben uns einen Raum, um innezuhalten und uns auf das Wesentliche zu besinnen. Die Wissenschaft hat in den letzten Jahren zwar viele Lösungen und Erklärungen parat, doch die Technikgläubigkeit hat ihre Schattenseiten. Wie der Kritische Rationalismus von Karl Popper besagt, können wissenschaftliche Theorien niemals endgültig bewiesen werden, sondern nur so lange bestehen, bis sie widerlegt werden.
In diesem Sinne möge Weihnachten als ein Ausdruck von Menschlichkeit nicht nur als naiver „Aberglaube“ abgetan werden. Vielleicht sollten wir daher doch eher mehr auf Weihnachten als auf eine falsch verstandene Wissenschaftsreligion setzen. Eines steht aber fest: Wer die Welt in eine reduzierte Dichotomie aus richtig und falsch oder 0 und 1 einteilen will, wird sich in den kommenden Jahren der Transformation schwertun. Kognitive Flexibilität und emotionales Feingefühl lautet die Formel der Zukunft, und ein bisschen Magie schadet nie.
Zum Autor:
Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.
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