Gesamte Lohnsteuer nur für Pensionisten

Gesamte Lohnsteuer nur für Pensionisten
Am 14. 11. hätte Österreich den „Tag der Pensionslücke“ gefeiert. Ein zweifelhafter Ehrentag. Ein Gastkommentar von Dénes Kucsera.

Die Regierung betont bei jeder Gelegenheit, wie gut unser Steuergeld investiert wird. In Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser oder Infrastruktur und so weiter. Das ist schön.

Weniger schön ist, dass der größte Teil der Mittel längst woanders hinfließt, genauer gesagt in die Abdeckung des Defizits im staatlichen Pensionssystem, das immer tiefere Löcher aufweist. Heuer muss der Steuerzahler 32,9 Milliarden Euro zuschießen, um den Fehlbetrag zu decken. Das entspricht fast den gesamten Einnahmen aus der Lohnsteuer.

Ein anschauliches Bild für diese unerfreuliche Entwicklung liefert der sogenannte „Tag der Pensionslücke“. Er markiert den Zeitpunkt im Jahr, bis zu dem sämtliche Lohnsteuereinnahmen für die Finanzierung der Pensionslücke aufgebraucht sind. Erst danach bleibt Geld für Schulen, Straßen oder das Gesundheitssystem. Heuer fällt dieser Tag auf den 14. November 2025, also der gestrige Freitag. Vor zwei Jahren lag er noch am 9. Oktober. Seit 2015 hat sich diese „Schwelle“ um zwei Monate nach hinten verschoben. Tendenz steigend.

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Dénes Kucsera.

Bekannte Ursachen

Früher reichten die Lohnsteuereinnahmen der Erwerbstätigen aus, um die Pensionen auszahlen zu können. Heute müssen bereits alle Lohnsteuern herhalten inklusive jener der Pensionisten selbst. In den kommenden Jahren wird wohl auch ein Teil der Mehrwertsteuer nötig sein, um die Lücke zu schließen. Die gesamte Mehrwertsteuer wird allerdings schon dafür verwendet, die Subventionen zu bezahlen.

Die Ursachen für die klaffende Pensionslücke sind bekannt: Die Babyboomer gehen in Pension, die Lebenserwartung steigt, viele arbeiten in Teilzeit oder beginnen ihre Karriere später. Schon heute finanzieren 1,6 Erwerbstätige einen Pensionsbezieher, im Jahr 2040 werden es nur noch 1,4 sein. Trotzdem beruhigt die Regierung: „Die Pensionen sind sicher.“ Allerdings nicht der Höhe nach. Viele höhere Pensionen liegen heute schon unter dem, was gesetzlich zugesagt wäre. Der Staat kann sich die notwendigen Anpassungen schlichtweg nicht mehr leisten.

Fass ohne Boden

Das Pensionssystem gleicht einem Fass ohne Boden. Jahr für Jahr werden Milliarden hineingepumpt, doch die Defizite wachsen. Während die Politik die demografische Zeitbombe ignoriert, rückt der Tag der Pensionslücke immer weiter ans Jahresende. Ohne Kurswechsel wird er bald im Dezember liegen.

Dabei liegt die Lösung auf der Hand: echte Strukturreformen statt kosmetischer Korrekturen. Das gesetzliche Pensionsantrittsalter muss rasch auf 67 Jahre steigen und künftig automatisch an die Lebenserwartung gekoppelt werden, wie in vielen anderen europäischen Ländern. Eine Erhöhung um zwei Monate pro Jahr wäre ein realistischer, fairer Start.

Anreize

Gleichzeitig braucht es Anreize, länger zu arbeiten und mehr Freiheit, privat für den Ruhestand vorzusorgen.

Der „Tag der Pensionslücke“ ist kein Rechentrick, sondern ein Symbol für ein System, das aus dem Gleichgewicht geraten ist. Wenn wir weitermachen wie bisher, wird unser Geld bald nur noch für die Vergangenheit reichen und nicht mehr für die Zukunft.

Zum Autor:
Dénes Kucsera ist Ökonom beim wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria

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