Lobautunnel: Zurück in die Betonvergangenheit

Symbolfoto
Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Chuzpe Verkehrsminister Peter Hanke seine Entscheidung für die S1 und den Lobautunnel als bestgeprüftes Bauprojekt verkaufen will. Dabei genügen kurze Nachforschungen über die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien zur S1 und den Tunnel von renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der TU Wien und der TU Graz, die deutlich vom Verdacht, linkslinke Grüne zu sein, erhaben sind, um die Kernergebnisse zu verstehen.
Die derzeit geplante Variante der S1 mit Lobautunnel wird in fast allen von den Studien untersuchten Dimensionen den alternativen Möglichkeiten als unterlegen beschrieben. Der Tunnel würde weitere Verkehrsbelastungen erzeugen und negative Effekte auf Raumstruktur, Umwelt und Klima haben. Abgesehen davon wäre die Tunnelvariante die teuerste der untersuchten Varianten. Aber der Bundesminister für Infrastruktur will den Lobautunnel trotzdem umsetzen.
Es ist eine Orientierung an einer überwunden geglaubten Betonierungs- und Straßengläubigkeit der SPÖ aus den 1970er-Jahren. Es ist eine Morgengabe für Minister Hankes politische Herkunftsfamilie, der Wiener SPÖ, die scheinbar wirklich glaubt, damit in Ihren Wählerschichten punkten zu können. Dabei sind jene Pensionistinnen und Pensionisten, die heute noch an den motorisierten Individualverkehr in Ballungsräumen glauben, längst Geschichte – in jener fernen Zeit, falls der Tunnel wirklich fertiggestellt würde. Und die junge progressive Schicht hat längst erkannt, dass es andere Mobilitätskonzepte für eine urbane Zukunft braucht. Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten, darüber sind sich inzwischen die meisten Expertinnen und Experten einig.

Klaus Atzwanger
Erkenntnisse ignoriert
Es ist aber von Minister Hanke auch insofern ein interessanter Schritt, da er einerseits die Bedeutung von Innovation und Forschung für die Zukunft gerne medial betont – was zu begrüßen ist – und andererseits wissenschaftliche Ergebnisse zumindest in diesem Fall ignoriert. Gleichzeitig müssen unter seiner Verantwortung aufgrund der angespannten Budgetlage große Einsparungen erfolgen. Im Infrastrukturausbau der ÖBB kommt es zu Reduktionen und zeitlichen Verschiebungen, manchen Nebenbahnen droht das Ende, alles kurzfristig nachvollziehbar – aber ob mittelfristig auch sinnvoll?
Es wird kaum möglich sein, einer Bevölkerung, der man bei jeder Gelegenheit sagt, dass die Bundesfinanzen mit allen Mitteln saniert werden müssen, und dabei auch frühere Tabus wie Gehaltskürzungen bei BeamtInnen und PensionistInnen oder die Förderpolitik zu Recht kritisch hinterfragt, zu erklären, wieso man jetzt, statt die Bahninfrastruktur weiter auszubauen, zwei bis drei Milliarden Euro für ein umstrittenes Straßenprojekt wie den Lobautunnel über die Asfinag zur Verfügung stellt.
Je früher die SPÖ erkennt, dass man politisch in ein neues Debakel wie Zwentendorf oder Hainburg läuft, desto besser. Wie lange der zuständige Minister in so einem Fall noch haltbar sein wird, wird davon abhängen, wie stark der Parteichef heute wirklich ist. Das Negieren der wissenschaftlichen Untersuchungen als Basis der politischen Entscheidung ist jedoch ein Sündenfall, der die Frustration über politische Entscheidungen fern von faktenbasierten Grundlagen nicht nur in der SPÖ weiter erhöht.
Zum Autor:
Klaus Atzwanger ist Verhaltenswissenschaftler und Unternehmensberater.
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