Israel will es wissen – doch geht die Rechnung auf?

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Mit den Luftangriffen auf den Iran könnte Israel das Machtgefüge im Nahen Osten nachhaltig zu seinen Gunsten verändern. Ein Gastkommentar von Walter Feichtinger.

Es ist schier unglaublich, dass Israel neben den Fronten gegen die Hisbollah, Hamas und Huthis auch noch den Krieg gegen den Iran wagt. Doch aus Sicht Netanjahus ist dieses Zeitfenster, in dem Irans Verbündete massiv geschwächt sind und die Abwehrfähigkeit des Iran durch vorherige Luftschläge bereits erheblich reduziert wurde, unbedingt zu nutzen. Schon seit Jahren drängt er die USA zu einem gemeinsamen Angriff auf das iranische Nuklearprogramm, um dessen letzten Schritt, die Herstellung von Atombomben, zu verhindern. Bisher ohne Erfolg, auch Trump sträubte sich gegen einen Angriff. Dennoch hat Israel auch ohne offensive Unterstützung der USA zugeschlagen. Selbst wenn Trump informiert war, stellt sich die Frage, welchen Einfluss er auf Israels Regierung hat. Wedelt da gerade der Schwanz mit dem Hund? Schließlich wollten die USA ein neues Atomabkommen mit dem Iran abschließen, da kommen die Angriffe nicht gerade zupass.

Walter Feichtinger

Walter Feichtinger 

Israel demonstriert mit dem Angriff seine strategische und operative Überlegenheit. Die Waffenarsenale müssen übervoll sein, um einerseits in die Offensive zu gehen, andererseits aber auch genug Abwehrkapazitäten zu haben, um sich Hunderter iranischer Raketen und Drohnen zu erwehren. Dafür reichen die eigenen Waffensysteme und Munition auf Dauer nicht aus, ohne nachhaltige Unterstützung der USA wären diese Operationen nicht möglich. Die Präzision der Luftschläge demonstriert zudem das professionelle Wirken des Mossad, der ohne Zweifel über außergewöhnliche Aufklärungsergebnisse verfügt – sicher nicht nur im Iran.

Mit den Luftangriffen auf Nuklearanlagen und die militärische Führungsspitze hat Netanjahu die Initiative an sich gerissen und einen strategischen Ausbruchversuch gestartet, der den Iran in Bedrängnis bringt und die gesamte Region in Aufruhr versetzt. Aber was passiert, sollte das Mullah-Regime in Teheran tatsächlich klein beigeben müssen oder gestürzt werden? Zweifellos könnte sich Israel als Sieger fühlen, da es den größten Staatsfeind und wichtigsten Unterstützer der Hisbollah, Hamas und Huthis bezwungen hätte. Da scheint der Krieg im Gazastreifen bei all seiner humanitären Hässlichkeit zu einem Nebenschauplatz zu verkommen.

Doch wie könnten die arabischen Staaten, allen voran Saudi-Arabien, reagieren? Würden sie den Ausgleich mit Israel suchen oder nach der Atombombe streben, um der Dominanz Israels etwas entgegenzusetzen? Welche Rolle spielen dann noch die Palästinenser in Gaza? Und wo bleiben die Verbündeten des Iran, Russland und China? Schließlich sind iranische Shahed-Drohnen eine wichtige Waffe Russlands bei dessen zerstörerischen Luftschlägen in der Ukraine. Und China kauft den Großteil des iranischen Ölexports auf. Sie halten sich bisher zurück, doch die Luftangriffe Israels ziehen weite geopolitische Kreise.

Wie immer beim Beginn bewaffneter Auseinandersetzungen ist es viel zu früh, um klare Entwicklungen erkennen zu können. Doch eines ist schon jetzt klar – dieser Angriff wird weitreichende Folgen haben.

Zum Autor:

Walter Feichtinger ist Präsident des Center für Strategische Analysen (CSA).

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