Inflation: Teure Lebensmittel treffsicher bekämpfen statt zukaufen

Die politische Diskussion rund um die Teuerung und somit um hohe Lebensmittelpreise in Österreich reißt nicht ab.
Die Debatte über eine Preisregulierung bei Lebensmitteln in Österreich treibt weiter bunte Blüten. Es ist absolut begrüßenswert, dass der Blick nun endlich auch auf eine Gruppe der Gesellschaft gelenkt wird, die seit vielen Jahren massiv unter der Teuerung der Lebenshaltungskosten leidet: armutsbetroffene Menschen. Nur – bisherige Lösungsansätze gehen am Ziel vorbei. Jüngstes Beispiel: Michael Böheim, Wettbewerbsexperte am Wifo, schlägt in einem KURIER-Artikel vom 25. August vor, die Regierung solle „Lebensmittel zu Großhandelspreisen kaufen und sie an Sozialmärkte verschenken“. Das sei „die effektivste Maßnahme, um bedürftige Gruppen zu unterstützen“.
Ist sie nicht. Mehr als eine Million Tonnen genussfähige Lebensmittel werden in Österreich pro Jahr entsorgt. Eine unglaubliche Menge, während immer mehr Menschen nicht wissen, wie sie sich und ihre Kinder ernähren sollen: Die Zahl jener, die in absoluter Armut leben, hat sich laut Statistik Austria von 2021 auf 2023 verdoppelt. In der jüngsten Erhebung „So geht“s uns heute“ (Q1/2025) nannten 24,4 Prozent unter den 33 Prozent aller Befragten, die eine Verschlechterung ihrer finanziellen Situation wahrgenommen haben, höhere Ausgaben für Lebensmittel als Hauptgrund für ein schlechteres Auskommen mit dem Einkommen. 339.000 Erwachsene geben an, sich nicht jeden zweiten Tag eine Hauptmahlzeit leisten zu können. Das trifft auch auf 104.000 Kinder und Jugendliche zu.
Die schnellste, treffsicherste und auch günstigste Maßnahme, um die Inflation bei Lebensmitteln gerade für armutsbetroffene Menschen zu bekämpfen, wäre daher, die kostenfreie Umverteilung von geretteten Lebensmitteln durch soziale Einrichtungen auszubauen. Es braucht kein Geld für Lebensmittelzukäufe. Sondern lediglich die richtigen (politischen) Rahmenbedingungen, um die Arbeit von Organisationen wie der Tafel Österreich, die sich der karitativen Lebensmittelweitergabe widmen, zu fördern – statt sie zu behindern.

Alexandra Gruber
Rechtliche Vereinfachung
Der Blick über den Tellerrand zeigt: Länder, in denen die Arbeit von Tafelorganisationen durch Maßnahmen wie rechtliche Vereinfachung der karitativen Lebensmittelweitergabe begünstigt und ihr Vorrang gegenüber kommerziellen Initiativen eingeräumt wird, haben die Nase bei der Menge an umverteilten, geretteten Lebensmitteln für armutsbetroffene Menschen deutlich vorne. Die schleichende Kommerzialisierung eines nicht-kommerziellen Bereichs ist im Übrigen ein Österreich-Spezifikum, das in anderen Ländern nicht so überhandgenommen hat.
In Österreich hinken wir hier stark hinterher. In den Food-Donation-Guidelines und der Food-Waste-Hierarchie der EU ist auf europäischer Ebene klar geregelt, dass Lebensmittel-Überschüsse armutsbetroffenen Menschen zugutekommen sollen. Eine Einhaltung dieser bestehenden Richtlinien könnte rasch und wirkungsvoll einen großen Schub in der Menge an Lebensmitteln, die binnen kürzester Zeit an armutsbetroffene Menschen umverteilt werden können, bedeuten. Das Tafelmodell ist generell schnell und kostengünstig skalierbar. Wenn wir also über „effektive Maßnahmen“ reden: Warum wählen wir nicht eine, die von heute auf morgen sowohl der Umwelt als auch insbesondere jenen hilft, die unter der Teuerung bei Lebensmitteln am meisten leiden?
Zur Autorin:
Alexandra Gruber ist seit 2014 Geschäftsführerin der Wiener Tafel.
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