Nach Freisprüchen: Wie das Recht junge Mädchen schützen sollte

Fall Anna, Favoriten, 10 Angeklagte, Gericht
Rechtsanwältin Katharina Braun plädiert für Änderungen im Sexualstrafrecht.

Ein 12 Jahre junges Mädchen hat Sex mit mehreren jungen Männern. Dies u.a. in einem Parkhaus; in Treppenhäusern und in einem Hotelzimmer in Wien Favoriten, wo sich zehn Burschen hintereinander im wörtlichen Sinn die Klinke in die Hand gaben und sexuelle Handlungen an dem Mädchen vollzogen. Die Taten sollen sich in Wien zwischen März und Juni 2023 abgespielt haben. 

Sowohl der Vorfall im Parkhaus als auch jener im Hotelzimmer endeten mit einem Freispruch. 

Während der Verhandlung soll gelacht worden sein

Der Freispruch (Fall Parkhaus) kam bereits im Jänner dieses Jahres, der Freispruch betreffend Hotelzimmer erfolgte nun im September.  Die Jugendlichen zeigten, so die mediale Berichterstattung, allesamt keine Reue. So sollen diese bereits während der Verhandlung gelacht, und mit Grinser im Gesicht die Gerichtsverhandlung verlassen haben. Einer der Jugendlichen soll den Medienvertretern nach Ende des Verfahrens den Mittelfinger gezeigt haben.

Eine Frau mit braunen, lockigen Haaren und einem beigen Blazer posiert nachdenklich.

Warum wurden die Beschuldigten freigesprochen?

Richter und Schöffen sind bei ihrer Entscheidungsfindung an die Gesetze gebunden. Gesetze sollten letztlich die Werte einer Gesellschaft abbilden. Es besteht wohl allgemeiner gesellschaftlicher Konsens, dass Jugendliche in Ruhe lernen und behutsam auf ihr Erwachsenenleben (inklusive Intimleben) vorbereitet werden sollten. Ebenso besteht wohl breites Übereinkommen, dass an den Schutz unmündiger Personen besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Nicht nur, dass sexuelle Erfahrungen prägend sind für das gesamte weitere Leben, so gehen mit Sex auch Gesundheitsrisiken einher und besteht natürlich auch die Möglichkeit einer ungewollten Schwangerschaft.

Das sieht die geltende Gesetzeslage vor

Vorweg ganz kurz die aktuelle Gesetzeslage: Sex einer mündigen Person mit Unmündigen (daher Personen bis 14 Jahren)  ist verboten. Das Strafgesetz  (§ 206 Abs. 4 und 207 Abs. 4 StGB) sieht jedoch gewisse Alterstoleranzgrenzen vor, welche zu einer Straffreiheit des Täters führen, wenn dieser nicht mehr als 3 Jahre (Tathandlung Geschlechtsverkehr) oder 4 Jahre (Tathandlung geschlechtliche Handlung, bei der es sich nicht um Beischlaf handelt, z.B. Oralsex) älter als das Opfer ist.

Widersprüchliche Aussagen sind bei Opfern nicht selten

Bei Opfern von Sexualstrafdelikten sind widersprüchliche Aussagen nicht selten, zumal wenn mit dem Täter ein Naheverhältnis bestand. Oft wollen die Opfer auch selbst nicht wahrhaben, dass sie missbraucht worden sind und suchen nach einem Eigenanteil an dem Erlebten. Dies in dem Bestreben, Kontrolle über ihr Leben zu behalten. 

Beim Alkoholausschank ist ein Gastronom  ( § 114 GewO)  dazu verpflichtet, einen Ausweis zu verlangen, um sich ein Bild von dem tatsächlichen Alter des Gastes zu machen. 

Das Sexualstrafrecht sollte reformiert werden

So sollte es auch im Sexualstrafrecht gesetzlich verankert werden, dass man sich vor dem Sex oder einer geschlechtlichen Handlung durch Zeigen des Ausweises von dem tatsächlichen Alter Kenntnis verschafft. Unterlässt man dies, so hat man das Risiko, dass das Schutzalter unterschritten wird, zu verantworten.  Zu überlegen ist es, das Schutzalter in Österreich für das Verbot von Sex von aktuell 14 Jahren anzuheben. In vielen Ländern ist dies höher angesetzt. 

In anderen Ländern gelten strengere Maßstäbe

Beispielsweise liegt dies Schweden, Kroatien und Frankreich bei 15 Jahren, in Belgien, Niederlande, Norwegen, Russland, Schweiz, Spanien und Malta bei 16 Jahren.  In der Türkei liegt das Schutzalter für Geschlechtsverkehr bei 18 Jahren.  In den USA ist die Festlegung des Schutzalters eine Angelegenheit der Bundesstaaten. In den meisten wird das Ende des Schutzalters mit 16 Jahren festgelegt. Im Staat New York sind alle sexuellen Kontakte mit und zwischen Personen unter 17 Jahren ausnahmslos verboten.  

Den Ausweis zur Überprüfung des Alters sollten sich aber auch Dritte wie Hoteliers zeigen lassen müssen. Außerdem sind Meldeverpflichtungen für verdächtige Vorkommnisse (junges Mädchen und mehrere Burschen in einem Hotel) gesetzlich vorzusehen.

Wie stellt man die Freiwilligkeit nach Missbrauchserfahrungen sicher?

In Fällen, wo ein Mensch bereits sexuellen Missbrauch und Nötigung erfahren hat (so in etwa, weil Sextapes von ihm in Umlauf waren) sollte ein Art Sexualmündigkeitszeugnis unter Beiziehung von Professionisten wie Therapeuten angedacht werden. Dies, um die Freiwilligkeit späterer sexueller Handlungen dieser Person sicherzustellen. Denn bevor eine Aufarbeitung des Erlebten stattgefunden hat, ist die Freiwilligkeit auch bei späteren Handlungen infrage zu stellen. Bei bereits erlebter Missbrauchserfahrung oder einer gewissen Drucksituation fällt es wohl vor einer solchen Bearbeitung immer schwer, Grenzen zu setzen und sich selbst zu schützen. Aber auch bei Freispruch im Zweifel für den Angeklagten sollten zumindest gewisse Schulungen betreffend Sexualerziehung und Umgang mit dem anderen Geschlecht vorgesehen werden.

Zur Autorin:

Katharina Braun ist Rechtsanwältin in Wien.

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