Femizide: Nicht eine einzige getötete Frau mehr!

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Österreich hat ein Gewaltproblem – und ein Redeproblem. Ein Gastkommentar von Katharina Braun.

Österreich hat im europäischen Vergleich, wenngleich es keine einheitliche Statistik dazu gibt, eine überdurchschnittlich hohe Femizid-Rate. Viele der Gewalttaten an Frauen passieren durch einen (Ex-) Partner. Gerade wieder berichten die Medien von einer 31-jährigen jungen Grazerin, welche von ihrem Ex-Freund ermordet worden sein soll. In den sozialen Medien rufen Menschen, darunter auch prominente Frauen wie die Moderatorin Corinna Milborn oder die Sängerin Missy May, dazu auf, dass gemeinsam aufgestanden wird und alles getan wird, damit diese Gewalt ein Ende findet: „Keine einzige mehr“.

Richtig ist zwar, dass die Bundesregierung dieser Tage einen Aktionsplan im Kampf gegen Gewalt an Frauen vorgelegt hat, vieles davon mit einer Zeitleiste bis 2029. Es bleibt abzuwarten, was davon tatsächlich umgesetzt wird. Ich selbst habe jedoch dieser Tage rund um die Mitorganisation einer Veranstaltung zum Thema sexuelle Gewalt eine Erfahrung gemacht, die mich am echten Willen zur Veränderung zweifeln lässt.

Eine Frau mit braunen, lockigen Haaren und einem beigen Blazer posiert vor einem grauen Hintergrund.

Katharina Braun

Unverständnis

Anlass für die Veranstaltung waren u. a. die rezenten Freisprüche rund um den Fall eines zwölfjährigen Mädchens, die in der Bevölkerung für viel Unverständnis und für Zweifel am österreichischen Justizsystem gesorgt hatten. Es ging bei der Veranstaltung um Aufklärung über den rechtlichen Status quo und der Ermöglichung eines Austausches mit dem Publikum über deren Sorgen, Ängste und Wünsche an die Politik.

Damit eine Diskussion wirklich möglich ist, muss meines Erachtens über die aktuelle Gesetzeslage und darüber, wie ein Gerichtsverfahren abläuft, vorab sachlich informiert werden. Es geht darum, Sorgen und Ängste aufzugreifen und einen echten Diskurs zu ermöglichen. Grundsätzlich ist dies eine politische Aufgabe. Im Vorfeld der Veranstaltung kam nun die Kritik (auch von Opfervertretungen selbst oder von Rechtsgelehrten), dass man nicht mehr über die Fälle aus den Medien reden solle, da dies zu einer Retraumatisierung der Opfer führt, und es wurde auch vor Anlassgesetzgebung gewarnt. Auch würden solche Veranstaltungen Ressentiments schüren. Der Tenor war also: „Schweigt“.

Schon die berühmte Frauenpolitikerin Johanna Dohnal sagte: „Leise zu treten hat sich noch immer als Fehler erwiesen.“ Es ist nicht an den Opfern, sich zu schämen, für das, was ihnen angetan worden ist. Durch eine derart schweigende, nicht zuletzt auch die Opfer bevormundende Haltung wird wiederum eine Schambehaftung des Opfers bewirkt.

Anlassfälle zeigen Schwächen des Systems auf und dürfen nicht als Einzelfälle abgetan werden. Selbst ein patriarchal geprägtes Land wie Spanien scheint eine – sieht man sich die Zahlen rund um Femizide an – effizientere Vorgangsweise als Österreich im Kampf gegen die Gewalt an Frauen zu haben. Dort gibt es, dies seit 2004, ein strenges Gesetz gegen häusliche Gewalt. Anlass für dieses Gesetz gab die Ermordung von Ana Orantes (Mutter von elf Kindern) durch ihren Ex-Mann. Dies zwei Wochen nach einem Fernsehauftritt, in welchem Ana Orantes über ihren gewalttätigen Mann berichtet hatte. Der Mann hatte sie auf grausamste Weise verbrannt.

Der spanische Kongress stimmte einstimmig(!) für ein umfassendes Gesetz zum integralen Schutz gegen geschlechtsspezifische Gewalt. In Spanien gibt es Gerichtsabteilungen, welche spezialisiert auf die Gewalt gegen Frauen sind. Gewalt gegen eine Partnerin oder Ex-Partnerin ist in Spanien strafverschärfend. Die Polizei setzt zur Einstufung des Risikopotenzials von Gefährdern ein eigenes Computerprogramm „ Viogen“ ein, mit über 30 Indikatoren. Eine Risikostufe kann erhöht, aber nicht herabgesetzt werden.

Während bei uns das Schutzalter für Sex bei 14 Jahren liegt, liegt dieses Spanien bei 16 (überhaupt ist in vielen Ländern das Schutzalter höher als in Österreich angesetzt). In Spanien gibt es zudem, wie es nun auch bei uns eingeführt sein soll, bereits seit 2022 das Prinzip „Nur Ja ist Ja zum Sex“. Aber auch in Frankreich wurde im Zuge eines Anlassfalles, dem der mutigen Gisele Pelicot, das Sexualstrafrecht verschärft und Sex ohne explizite Zustimmung vorab gilt nun als sexueller Übergriff.

Genug der Schweigekultur! Opfer haben ein Recht, dass ihrem Leid eine Stimme gegeben und der Gewalt mit aller Vehemenz und mit Verstand die Stirn geboten wird.

Zur Autorin:

Katharina Braun ist Rechtsanwältin in Wien.

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