Energiewende und EIWG: Intelligenz schlägt Kupfer

Energiewende und EIWG: Intelligenz schlägt Kupfer
Für eine leistbare Energiewende muss das neue Stromgesetz weg von der Bestrafungslogik hin zu einem Anreizsystem. Ein Gastkommentar von Stefan Ortner.

Wer die Energiewende täglich in der Praxis erlebt, erkennt im neuen Stromgesetz (ElWG) ein Regelwerk, das den Verkehr auf einer Datenautobahn ordnen soll, aber im Geiste einer verkehrsberuhigten Zone der 1990er-Jahre verfasst wurde. Wir bauen ein Energiesystem, das Milliarden verschlingt, weil wir uns weigern, es intelligent zu machen. Wir verwalten den Mangel, anstatt die Fülle zu organisieren.

In modernen Haushalten findet oft schon die Zukunft statt. Photovoltaik und Stromspeicher sind installiert. Doch derzeit agieren diese Hightech-Geräte wie rücksichtslose Egoisten. Sobald die Sonne morgens aufgeht, beginnt der Batteriespeicher zu laden. Das ist systemisch fatal. Denn gegen Mittag, wenn die Sonne den Zenit erreicht und das Netz vor Energie beinahe platzt, sind die Speicher voll. Sie schalten ab. Genau in der Sekunde, in der wir sie als Puffer bräuchten, verabschieden sie sich. Der Netzbetreiber muss dann abregeln oder teuer gegensteuern. Am Abend jedoch, wenn alle kochen, entleeren sich die Speicherkapazitäten für den Eigenbedarf, ohne Rücksicht auf die kritische Gesamtlage. Ein volkswirtschaftlicher Unsinn: Wir haben modernste Hardware, betreiben sie aber mit der Logik einer Glühbirne – an oder aus. Die Technologie kann längst mehr. Unsere Systeme wissen dank Wetterdaten, wann die Sonne scheint, und kennen per Börsenanbindung die Strompreise. Sie könnten netzdienlich agieren – auch dann laden, wenn Strom im Überfluss da ist, und pausieren, wenn Engpass herrscht.

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Stefan Ortner.

Bagger gegen Software

Warum tun sie es nicht? Weil das Gesetz keinen Anreiz bietet. Österreich setzt auf die Kupfer-Doktrin: Wenn das Netz eng wird, graben wir die Straße auf und legen dickere Kabel. Wir lösen Probleme des 21. Jahrhunderts mit Methoden des 20. Jahrhunderts. Hardware ist teuer, Software günstig. Jede Kilowattstunde, die wir durch intelligente Steuerung verschieben, spart den Ausbau von Leitungen. Wir müssen aufhören, das Netz als einfaches Wasserrohr zu betrachten. Es muss ein neuronales Netz werden.

Wir brauchen eine „Fastlane“ für kluge Anschlussnehmer. Wer bereit ist, seinen Speicher oder sein E-Auto netzdienlich zu steuern, muss belohnt werden. Wer dem Netz erlaubt, flexible Lasten intelligent zu timen, sollte einen schnelleren Netzanschluss erhalten und reduzierte Entgelte zahlen. Wenn der Strompreis am Sonntagmittag negativ ist, muss derjenige davon profitieren, der genau dann seine Wärmepumpe hochfährt.

Der aktuelle Weg führt dazu, dass wir PV-Anlagen bauen, die wir abschalten müssen, weil das Netz sie nicht aufnimmt. Der andere Weg nutzt die Schwarmintelligenz von Millionen Haushalten. Die Hardware steht bereit, die Kunden sind willig. Was fehlt, ist Mut, diese dezentrale Kraft zu nutzen.

Das ElWG ist beschlossen, aber die Verordnungen werden erst geschrieben. Hören wir auf, in Kupfer zu denken. Fangen wir an, in Algorithmen zu denken. Die Energiewende wird nicht im Parlament gewonnen, sondern im Heizungskeller.

Zum Autor:
Stefan Ortner, Geschäftsführer von ÖkoFEN, Anbieter erneuerbarer Wärmelösungen und smarter Batteriesysteme.

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