Die Teilzeit der einen ist die Vollzeit der anderen

Part-time and full-time job working businessman business concept
Weniger arbeiten, gleiche Leistungen beanspruchen? Das geht sich nicht aus. Ein Gastkommentar von Dénes Kucsera.

Rund 1,3 Millionen Beschäftigte in Österreich arbeiten Teilzeit. Bei den meisten geht es nicht anders, doch etwa 320.000 von ihnen könnten sehr wohl Vollzeit arbeiten.

Sie wollen aber nicht.

Nicht wir sagen das, sondern sie selbst haben das in der Mikrozensus-Befragung so angegeben. Und das ist auch durchaus legitim. Wer mehr Zeit im Garten verbringen oder einem Hobby nachgehen möchte, soll das tun können.

Das Recht an der eigenen Zeit verdanken wir übrigens der Marktwirtschaft. Hätte ein Leibeigener im Feudalismus auf 20 Stunden reduzieren wollen, hätte sein letztes Stündlein wohl geschlagen. Und auch dem Sozialismus ist die Arbeitspflicht nicht fremd.

Die Teilzeit der einen  ist die Vollzeit der anderen

Dénes Kucsera

Wer die Rechnung zahlt

Doch problematisch wird es, wenn die 3,1 Millionen Vollzeitbeschäftigten die Rechnung übernehmen müssen. Gesundheitsleistungen, Bildungsangebote oder auch die staatlich aufgestockte Mindestpension sind für alle gleich – unabhängig davon, wie viel jemand eingezahlt hat. Wer im Erwerbsleben bewusst weniger arbeitet, kann also damit rechnen, im Alter mit Steuergeld aufgestockt zu werden.

Finanziert wird das zu einem großen Teil von jenen, die Vollzeit arbeiten. Das Steuersystem macht’s möglich: Wer von 20 Wochenstunden auf 40 aufstockt, arbeitet zwar doppelt so viel, bekommt aber nur rund 70 Prozent mehr Netto. In seinem Windschatten zieht er diejenigen mit, die keine Kraft mehr haben; aber eben auch jene, die einfach nur chillen wollen.

Wer das für ein vernachlässigbares Phänomen hält, irrt: Würden die 320.000 freiwilligen Teilzeitkräfte Vollzeit arbeiten und ein mittleres Bruttoeinkommen verdienen, dann würde das satte 3,1 Milliarden Euro mehr an Sozialversicherungsbeiträgen bringen. Die gesamten staatlichen Mehreinnahmen, inklusive Lohnsteuer und Lohnnebenkosten, lägen bei etwa 4,9 Milliarden Euro pro Jahr.

All jene, die zwar ebenfalls freiwillig Teilzeit arbeiten, die aber im Mikrozensus verschämt Krankheit oder Betreuungspflicht angekreuzt haben, sind hier noch gar nicht mitgerechnet.

Anspruch

Aha, dann sind Marktliberale also neuerdings dafür, dem Staat möglichst hohe Einnahmen zu bescheren? Sie sind es nicht. Doch wenn immer mehr Menschen freiwillig weniger arbeiten, aber denselben Anspruch auf Leistungen haben wollen, dann geht die Rechnung eben nicht auf. Natürlich ist Teilzeit eine gesellschaftliche Errungenschaft; ein Wohlstandsphänomen, wenn man so will. Ein Ökonomiestudent lernt im ersten Semester, dass Haushalte entscheiden, wie viel Zeit sie jeweils mit Arbeit und mit Freizeit verbringen möchten, um ihren Nutzen zu maximieren. Vor Jahren – als man entweder 40 Stunden arbeiten konnte oder eben gar nicht – wirkte das reichlich weltfremd.

Normalerweise versuchen Ökonomen, ihre Modelle an die Realität anzupassen. Ist doch schön, dass es auch mal umgekehrt läuft. Aber ein Sozialstaat kann auf Dauer nicht funktionieren, wenn immer weniger strampeln und sogar jene mitgezogen werden wollen, die selbst in die Pedale treten könnten. Sozialstaat bedeutet nicht, dass die einen schwitzen und die anderen Donnerstagmittag ausstempeln, hinter der Ziellinie aber alle aufs Siegerfoto wollen.

Zum Autor:

Dénes Kucsera ist Ökonom beim liberalen Thinktank Agenda Austria.

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