Assistierter Suizid: Sterben oder nicht sterben wollen

Das Sterbeverfügungsgesetz ist seit 1.1.2022 in Kraft. Voraussetzung ist, dass der Sterbewillige an einer unheilbaren zum Tod führenden oder an einer schweren dauerhaften Erkrankung leidet, welche eine dauerhafte Beeinträchtigung der gesamten Lebensführung mit sich bringt. Der Errichtung der Sterbeverfügung beim Notar hat eine Aufklärung von zwei Ärzten voranzugehen. Inhalt dieser Aufklärung sind neben Diagnose, Krankheitsverlauf auch Handlungsalternativen und Anbote für psychotherapeutische Unterstützung. Einer der beiden Ärzte hat über eine palliativmedizinische Ausbildung zu verfügen. Der andere Arzt kann Allgemeinmediziner sein.

Katharina Braun
Es ist also nicht der Fall, dass einer dieser beiden Ärzte ein Psychiater sein muss. Die Hinzuziehung eines solchen Facharztes ist gesetzlich nur beim Vorliegen einer psychischen Störung erforderlich. Hierbei stellt es gewiss eine Herausforderung für den Arzt dar, abzustecken, ob der Sterbewille nicht gerade Ausdruck der psychischen Krankheit ist und so der freie Wille nicht vorhanden ist. Ebenso steht zwar im Gesetzestext, dass die Ärzte unabhängig voneinander aufzuklären haben, doch soll es bereits vorgekommen sein, dass die Aufklärungen von beiden Ärzten ident dokumentiert worden sind. Dies obwohl das Musterformular des Gesundheitsministeriums dem Arzt durchaus Raum für individuelle Bemerkungen gibt. Dies lässt berechtigte Zweifel aufkommen, ob in einem derartigen Fall tatsächlich ausreichend aufgeklärt bzw. überhaupt ein tatsächlicher Sterbewille dokumentiert worden ist. Zum Zeitpunkt dieser Bedenken ist der Betroffene dann aber wohl schon tot.
Erschwerend kann im Heimalltag der Umstand sein, dass Pflegeheime keine Einsicht ins Sterbeverfügungsregister haben. Mitunter erfährt der überraschte Pfleger en passant von einem Angehörigen, dass der Heimbewohner soeben infolge einer Sterbeverfügung das tödliche Präparat Natrium Pentobarbital eingenommen habe. Rechtlich komplex wird es, wenn sich, dies in etwa in Folge von Erbrechen, der Tod nach der Einnahme des Präparats doch nicht einstellt. Rettende Maßnahmen bringen den Helfer sodann halb ins Kriminal. Vorkommnisse wie diese stellen gewiss für die Helfer, aber auch Angehörigen eine große Belastung dar. Niemand kann verpflichtet werden, Sterbehilfe zu leisten, doch ist es einem Heim rechtlich verwehrt, einem Heimbewohner wegen seines Sterbewillens zu kündigen.
Zu bedenken ist, dass das Präparat nicht nur von der sterbewilligen Person in der Apotheke abgeholt werden kann, sondern auch von einer helfenden Person, welche in der Sterbeverfügung eingetragen ist. Die Sterbeverfügung selbst gilt für ein Jahr. Was, wenn zwischendurch der Sterbewille nicht mehr vorhanden ist und die betroffene Person den Todestrank dennoch einnahm, z.B. in der Annahme die tägliche Medikamentendosis einzunehmen?
Der medialen Berichterstattung zufolge nehmen mehr Frauen als Männer Sterbehilfe in Anspruch. Möglicherweise liegt der traurige Grund darin, dass es eher Frauen sind, die ihren Angehörigen nicht zur Last fallen wollen.
Es sollten genaue gesetzliche Vorgaben betreffend des finalen Aktes gemacht werden, sodass Missbrauch jedenfalls hintangehalten werden kann, dies, indem z.B. bei dem Sterbeakt jedenfalls ein Arzt hinzugezogen wird. Hier muss mit größtmöglicher Sorgfalt und Verantwortung agiert werden, alles andere ist suspekt.
Zur Autorin:
Katharina Braun ist Rechtsanwältin in Wien.
Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums.
Unter www.suizid-praevention.gv.at finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich.
- Rat auf Draht ist die österreichische Notrufnummer für Kinder und Jugendliche. Die Nummer ist unter 147 rund um die Uhr anonym und kostenlos erreichbar.
- Die Ö3-Kummernummer ist unter 116 123 täglich von 16 bis 24 Uhr und ebenfalls anonym erreichbar.
- Die Telefonseelsorge ist unter der kostenlosen Telefonnummer 142 rund um die Uhr als vertraulicher Notrufdienst jeden Tag des Jahres erreichbar.
- Auf der Website www.bittelebe.at finden Angehörige/Freunde von Menschen mit Suizidgedanken Hilfe.
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