Alte Pelze, neue Haltung

Kürschner-Lehrling Sophie Weinlinger
Warum Nachhaltigkeit bei Kleidungsstücken manchmal im Alten liegt – und nicht im nächsten Trend. Eine Replik von Christoph Kobza.

Ein alter Pelz erzählt Geschichten: von Handwerkskunst, Qualität und von Menschen, die Dinge pflegen, statt sie wegzuwerfen. Er ist ein Kleidungsstück, das in Zeiten von Fast Fashion eine Tugend verkörpert – Beständigkeit und Respekt vor dem, was bereits da ist.

Vor einigen Wochen erschien an dieser Stelle ein Gastkommentar, der alte Pelze mehr als kritisch betrachtet (,„Echtpelz gehört auf die Mülldeponie der Geschichte“, 13. September, von Eva Rosenberg, Vier Pfoten).

Ich widerspreche – nicht, um zu provozieren, sondern um eine andere Perspektive in die Diskussion einzubringen. Alte Pelze sind oft Erinnerungsstücke an einen geliebten Menschen. Und sie sind eine wertvolle Ressource der Kreislaufwirtschaft.

46-220967407

Christoph Kobza.

Langlebig

Pelze sind, richtig gepflegt, die langlebigsten Naturprodukte der Modewelt. Sie können über Generationen hinweg getragen, repariert und verändert werden. Am Ende ihres Lebenszyklus’ verrotten sie, statt Mikroplastik zu hinterlassen.

Natürlich müssen wir über Tierhaltung und Ethik sprechen – bei Lebensmitteln ebenso wie bei Kleidung. Verantwortung und Nachhaltigkeit bedeuten darüber hinaus auch, Bestehendes zu nutzen, statt ständig Neues zu produzieren und lokales Handwerk zu unterstützen, statt auf globale Lieferketten zu setzen. Und wir sollten unseren Mitmenschen zugestehen, eigene Entscheidungen zu treffen – auch wenn sie anders ausfallen als unsere.

Das Argument, man könne nicht erkennen, ob ein Pelz neu oder alt sei, greift zu kurz. „Man sieht ja nicht, dass es Omas alter Pelz ist“, heißt es vorschnell.

Stimmt. Ebenso wenig steht auf jedem Kleidungsstück eines heimischen Handwerksunternehmens: „Wurde nicht in Ostasien unter fragwürdigen Bedingungen gefertigt.“ Nicht alles im Leben trägt ein Etikett – und nicht jede Entscheidung braucht eine moralische Überschrift.

Bestehendes wertschätzen

Alte Pelze stehen weniger für verstaubte Zeiten als für eine neue Haltung: Bestehendes wertschätzen, auf faire Arbeitsbedingungen achten und wieder Produkte wählen, die Generationen überdauern. Nachhaltigkeit bedeutet somit nicht immer Verzicht, sondern Verantwortung und Respekt. Alte Pelze erzählen auch diese Geschichte – die es wert ist, gehört zu werden.

Zum Autor:

Christoph Kobza ist Berufszweigvorsitzender Wiener Kürschner*innen.

Kommentare