„Alle wollen doch so früh wie möglich in Pension gehen ...“

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In der Schule erntete sie nur ein müdes Lächeln von Kolleginnen und Kollegen wie vom Schuldirektor. Aussagen wie „Weiter unterrichten? Alle wollen doch so früh wie möglich in Pension gehen!“ oder Kommentare wie „Du musst doch froh sein, diesen irrsinnigen Alltag im Schulbetrieb zu verlassen …“ schlugen ihr entgegen.
So lauteten die wohlmeinenden Ratschläge, weil die Lehrerin freiwillig über das Pensionsalter hinaus weiterarbeiten wollte. Diese niederschmetternden Reaktionen lassen Arbeitswillen und Freude am Beruf in einem trüben Licht oder gar als Makel erscheinen.
Und plötzlich kam er auch, der RSb-Brief, der gefürchtete sogenannte „blaue Brief“. Trotz eines Ansuchens beim Arbeitgeber, weiter arbeiten zu wollen, flatterte die Kündigung bei der Tür herein.
Ein Schock
Es war wie ein Schock. Was hatte sie falsch gemacht? Was hatte sie verbrochen?
Es stellte sich dann bloß heraus, dass das, was einer Dienstverfehlung glich, nur die anscheinend korrekte Ausübung des Vertragsbedienstetengesetzes war. Beim näheren Studium des Gesetzes erwies sich die „Dienstverfehlung“ des Erreichens des 65. Lebensjahres allerdings nicht als Soll-, sondern als Kann-Bestimmung, wie aus folgenden Zitaten aus „Bundesrecht, gesamte Rechtsvorschrift für Vertragsbedienstetengesetz 1948, Fassung vom 19.3.2025 Kündigung §32“ ersichtlich ist:
(1) Der Dienstgeber kann ein Dienstverhältnis, das ununterbrochen ein Jahr gedauert hat, nur schriftlich und mit Angabe des Grundes kündigen.
(2) Ein Grund, der den Dienstgeber nach Ablauf der im Abs.1 genannten Frist zur Kündigung berechtigt, liegt insbesondere vor, wenn der Vertragsbedienstete ... das 65. Lebensjahr vollendet hat und einen Anspruch auf einen Ruhegenuss aus einem öffentlichen Dienstverhältnis hat oder mit Erfolg geltend machen kann.
Bei genauer Lektüre und fachlicher Interpretation durch einen Rechtsanwalt stellte sie sich die Frage: Kann es denn sein, dass von Wien bis Vorarlberg dieses Gesetz missinterpretiert oder falsch verstanden wird? Im besten Fall wird die oder der angehende Zwangspensionierte in den Ruhestand gedrängt und hinausgelobt, im schlimmsten Fall hinausgemobbt, auf jeden Fall ungefragt und kommentarlos gekündigt.
Rechtlosigkeit
Befindet sich denn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ab dem gesetzlichen Pensionsalter von 65 in einem Zustand der Rechtlosigkeit? Der nicht mehr vollwertige Bürger mit 65 wird zum Outlaw der modernen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, wo Arbeitskräftemangel grassiert, Pensionierungswellen bevorstehen und von der Fachwelt die Unfinanzierbarkeit der Pensionsauszahlungen in nächster Zukunft außer Frage gestellt wird?
Jung geblieben
Die Menschen werden älter, sind dank des Fortschritts in der medizinischen Forschung länger jung oder junggeblieben. Unbenommen bleibt denjenigen, die das Sozialsystem und die Gesundheitsversorgung aufgrund von Arbeitslosigkeit oder wegen Krankheit in Anspruch nehmen müssen, dass sie das können und dürfen.
Aber auch jene, die gerne noch nach 65 arbeiten wollen, sollten das können und dürfen.
Zur Autorin:
Doris Füreder ist eine kürzlich pensionierte Lehrerin.
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