Wir, wie der ORF

Wir, wie der ORF
Unser aller Rundfunk muss besser vermitteln, wofür er steht. Ein Gastkommentar von Matthias Euler-Rolle.

Alles war nur ein böser Traum. Der ORF ist von der Nahtoderfahrung der blau-schwarzen Verhandlungen erwacht, beutelt sich wie ein nasser Hund ab und scheint wieder fröhlich Stöckchen hinterherzujagen. Die Schockwellen einer Reduktion auf den Grundfunk sind verebbt und damit scheint sich auch so mancher Reformgedanke in den unendlichen Gängen des Küniglbergs verloren zu haben. 

Meinungen zum ORF gibt es mindestens so viele, wie zum Nationalteam. Allerdings geht es zuallererst nicht um persönlichen Geschmack in der Programmgestaltung oder Honorare von Radiosprechern.

Wir, wie der ORF

Matthias Euler-Rolle

Es geht um nichts weniger als unsere Demokratie, für deren Erhalt eine vielseitige und unabhängige Medienlandschaft unabdingbar ist. Egal ob geschrieben, gesprochen oder gedruckt, am Anfang war das Wort und damit die VerantWORTung.

Wenn Verschwörungstheorien selbsternannter Internetaufdecker mit Überschriften wie „Breaking“ und „Eilmeldung“ von wild gewordenen Milliardären an Millionen Menschen ausgespielt werden, fällt es vor allem der jungen Generation, die niemals ein Großformat unabsichtlich in die Frühstücksmarmelade getaucht hat, schwer, Meinungen von Fakten zu unterscheiden. Diese Differenzierung ist aber essenziell für die Glaubwürdigkeit eines Mediums. So wie jede Zeitung Kommentare als solche ausschildert, muss dies auch der ORF klarer tun. Sonst schwindet das elementare Unterscheidungsmerkmal zur Internetmeinungsflut.

Und dann ist da noch die Sache mit der Stimmung. Eines der vielen Winston Churchill zugeschriebenen Zitate lautet: „Die Stimmung ist für unser Glück verantwortlich. Nicht umgekehrt.“ Auch hier hat der Küniglberg Verantwortung, denn wir sind bis zu einem gewissen Grad wie der ORF, nicht umgekehrt. Stimmt unser aller Rundfunk ausschließlich in Weltuntergangsszenarien, Politik-Bashing und Verschwörungstheorien ein, fällt es schwer, mutig, kreativ und zuversichtlich in die Zukunft zu schreiten. Die simple Teilnahme am öffentlichen Verkehr zeigt uns tagtäglich, dass Angst Aggression fördert.

Seine MitarbeiterInnen sind das größte Potenzial des ORF. Zusätzlich ist Österreich voll kreativer Köpfe, die mehr können, als nur Essen filmen. Egal ob Musik, Film, Kunst, Kultur, Sport, soziales Engagement – es gibt auch in schwierigen Zeiten viel Gutes, das gefördert und gefordert gehört.

Dafür bezahle ich gerne 180 € ORF-Haushaltsabgabe, selbst wenn deren Einbringung nicht sonderlich gut organisiert und ziemlich unsympathisch durchgeführt wird. Ich zahle auch dafür, dass mir Korrespondenten auf der ganzen Welt erzählen, was wirklich passiert und meine Quelle nicht auf „Fox News“ beschränkt ist. Ich zahle dafür, dass FM4 viele meiner Lieblingsbands entdeckt hat und mir Ö1 mit seinen Hörspielen Kino in den Kopf zaubert. Ich zahle für das Ö3 Weihnachtswunder, Nachbar in Not und Licht ins Dunkel. Vor allem zahle ich dafür, dass mir der ORF in Zeiten, in denen jede/r meine Aufmerksamkeit für sein/ihr Anliegen will, das sagt, was wirklich ist.

Das sind meine Gründe. Jetzt wäre es am ORF zu kommunizieren, wofür die Haushaltsabgabe sonst noch so verwendet wird. Dann könnte sich auch die Stimmung ihm gegenüber verändern. Und diese hängt ja – angeblich laut Churchill – irgendwie mit dem Glück zusammen.

Matthias Euler-Rolle ist Buchautor, Unternehmer, früherer ORF-Moderator und Redakteur

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