Viele Fragen rund um Herbert Kickl

In diesen Tagen entscheidet sich, ob Herbert Kickl der erste FPÖ-Bundeskanzler wird
War Herbert Kickl und die FPÖ auf den Auftrag zur Regierungsbildung vorbereitet? Nein, weder inhaltlich noch emotional. Man fragt sich, ob die 180-Grad-Wende vom Oppositionsführer zum Bundeskanzler gelingen wird.
Traut Kickl der ÖVP? Nie und nimmer! Er vertraut wohl kaum jemanden, schon gar nicht der ÖVP. Eine vertrauensvolle und stabile Zusammenarbeit der beiden Parteien kann man sich (noch) nicht vorstellen.

Martin Engelberg
Wird Kickl die dringend nötige Abgrenzung zu Rechtsradikalen und Kellernazis im Umfeld der FPÖ vornehmen? Nein! Das bedeutet, dass die Folie à deux, zwischen den Provokateuren rund um die FPÖ einerseits und den „Einzelfall“-Inquisitoren andererseits, Österreich und das Ausland (wieder) dauernd beschäftigen wird.
Wird sich ein Kanzler Kickl klar von jeder Russland-Nähe distanzieren? Wenn, dann nur sehr gewunden und widersprüchlich. Bei unseren westlichen Partnern wird er damit kein Vertrauen schaffen.
Wird er sich bezüglich der Vertretung Österreichs in der EU von der ÖVP einhegen lassen und wenn ja, sich auch daran halten? Kaum vorstellbar!
Wird er von radikalen Forderungen abgehen, wie: Zerstörung des ORF und der Presseförderung, Deutsch an Unis bei wissenschaftlichen Arbeiten, „Herdprämie“ für Frauen, reduzierte medizinische Versorgung von Asylwerbern, Rückzug aus dem „Sky Shield“-Programm usw.? Das wird eine Gratwanderung.
Kann Kickl Kanzler? Da gibt es große Vorbehalte, angesichts seiner Aggressivität, Rachelust, Lust am Zerstören auch von bewährten Strukturen und kaum ausmachbarer Eigenschaften eines Staatsmannes. Ein Kanzler muss täglich Krisen meistern, Konflikte lösen, konstruktive Lösungen finden, Kompromisse eingehen. Alles das ist Gift für Kickl und das Image, das er sich aufgebaut hat.
Daher schließlich: Will Kickl Kanzler werden? Ja und nein! Natürlich träumt er davon, als von seinem Volk bejubelter Kanzler in die Geschichte einzugehen. Mindestens genau so groß muss aber seine Angst sein, daran letztlich zu scheitern und als Versager, womöglich mit Schimpf und Schande, aus dem Bundeskanzleramt gejagt zu werden. Das wäre die ultimativ schlimmste Demütigung für einen Herbert Kickl.
Da ist es vielleicht fast verlockender, als jener in die Geschichte einzugehen, der das Potenzial hatte, der größte Volkskanzler aller Zeiten zu sein, was aber alle finsteren Mächte schlussendlich verhindert haben.
Es gibt also sehr viele Fragezeichen rund um die Person von Herbert Kickl und seiner persönlichen Eignung für das Amt des Bundeskanzlers sowie der Fähigkeit der FPÖ insgesamt, der Senior-Partner in einer Koalition zu sein.
Zu viele Fragezeichen?
Martin Engelberg ist Psychoanalytiker, Unternehmensberater und war von 2017 bis 2024 ÖVP-Abgeordneter zum Nationalrat.
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