Trump II: Europa sollte sich auf das Schlimmste einstellen

JD Vance in München
Steinerne Minen, Enttäuschung oder gar Entsetzen dominierten nach der Rede des US-Vizepräsidenten JD Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz, der Europa wegen dessen „Demokratiedefiziten“ rügte. Lösungsansätze für den Krieg in der Ukraine und die Positionierung der USA blieb er hingegen schuldig. Den schwachen Applaus des Publikums vor Ort übertrafen sicherlich die Jubelrufe in Putins und Xi Jinpings Lagern, die das Wasser auf ihre Propagandamühlen fließen sahen.
Kritische Beobachter fragen sich nach der eigentlichen Absicht dieses Auftritts und der provokanten Aussagen. Handelt es sich um die übliche Masche, einmal dreinzuhauen und dann die Ernte einzufahren, oder ist es Bestandteil einer umfassenden Strategie, nach der Trump und seine Erfüllungsgehilfen vorgehen? Anders ausgedrückt: War es das übliche „Dealmaker“-Gehabe oder ansatzweise die Präsentation eines geopolitischen Gesamtplans?

Militäranalytiker Walter Feichtinger
Allein das Dealmaker-Gehabe wäre bereits paradox: Denn wer mehr Druck auf die eigenen Partner als auf Kontrahenten aufbaut, wird vermutlich bald alleine dastehen („Make Amerika Alone Again“). Außerdem geht es bei Aussagen dieser Art nicht nur um die Wirkung in Europa, sondern auch in Taiwan und im gesamten Ostasien. Es sei dahingestellt, wie sich diese Methode weiter entwickeln könnte, aber sicher nicht zum Vorteil der Ukraine und Europas.
Spannender ist jedoch die Vorstellung von einem geopolitischen Drehbuch, in dem Europa nur ein Nebenschauplatz wäre und zum „Bauernopfer“ würde. In diesem Plot bilden die USA, China und Russland ein Kräftedreieck, dem lästigen wirtschaftlichen Konkurrenten und „sicherheitspolitischem Schmarotzer“ Europa kommt keine aktive Rolle zu.
In einem solchen Szenario liegt den USA wesentlich mehr daran, den erstarkenden Rivalen China zu bändigen. Und Xi Jinpings stärkster Verbündeter heißt bekanntlich Putin, der dringend benötigtes Gas, Öl, Bodenschätze und Militärtechnologie liefert. Allerdings gerät Russland infolge westlicher Sanktionen immer stärker unter chinesischen Einfluss.
Möchte Trump also Russland in das eigene Lager holen, dann gilt es, diese strategische Partnerschaft zwischen Peking und Moskau zurückzudrängen. Dafür benötigt er überzeugende Argumente und Angebote an Putin. Wie wäre es daher mit einer Aufhebung von Sanktionen samt Zugang zu US-Technologien? Oder mit der Zusage, dass die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wird und von Russland eroberte Gebiete behalten werden könnten? Man könnte außerdem das US-Engagement in der Allianz reduzieren und Europa seinem Schicksal überlassen.
Vor diesem Hintergrund klingen die Worte von JD Vance plötzlich ganz anders. Dann hat er im Rahmen der Sicherheitskonferenz Russland ein Angebot unterbreitet und die Ukraine samt Europa in eine neue Realität gestoßen.
Man kann diese Überlegungen als utopisch, verschwörerisch oder unrealistisch abtun. Angesichts erster Erfahrungen mit der Regierung Trump II sollte sich Europa aber auf das Schlimmste einstellen und nicht mehr auf das Beste hoffen.
Walter Feichtinger ist Militäranalytiker und Präsident des Center für Strategische Analysen (CSA)
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