Weckruf für den Humanismus
Im National Center of Forensic Medicine bei Tel Aviv stapeln sich Hunderte Leichen. Noch während Mediziner dort versuchen, die verstümmelten Körper der Ermordeten zu identifizieren, feiert die Hamas: Sie hat nicht nur zahllose Juden brutal getötet – sie dreht das auch noch zu einem politischen Erfolg: Der palästinensisch-israelische Konflikt ist wieder im Mittelpunkt der globalen Aufmerksamkeit. Mehr noch: Die Hamas ist drauf und dran, den von ihr begangenen Zivilisationsbruch in einem Fake-News-Nebel und weltweiter Aufwiegelung vergessen zu machen.
So wurde der angebliche Angriff Israels auf ein Spital in Gaza nach einer Woche der Schockstarre im Westen geradezu dankbar aufgegriffen, um in eingelernte Denkschemata zurückzufallen: hier die „israelische Besatzung“, dort deren palästinensischen Opfer. Dass die Explosion Folge einer fehlgeleiteten Rakete des Islamischen Dschihad sein könnte – oder dass die Angaben der Opferzahl weit auseinandergingen, tat der Dankbarkeit keinen Abbruch. Da ist sie also wieder, diese bewährte und doch in jeder Hinsicht unangemessene Rhetorik vom Appell an beide Seiten zur Mäßigung, von der Aufforderung an Israel, den Verhandlungsweg zu wählen, vom Bedauern über Netanjahus Versäumnis, die Zwei-Staatenlösung zu realisieren und, von der kontraproduktiven Siedlungspolitik sowie von Gaza als größtem Freiluft-Gefängnis der Welt.
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Der Subtext ist die zynische Unterstellung, an der Eskalation sei Israel schuld. Hätten sich die Juden anders verhalten, wäre es nicht dazu gekommen. Das ist Unfug und schlicht: Antisemitismus. Wir brauchen uns keiner Illusion hingeben: das Einzige, was Israel hätte tun können, um die Eskalation zu verhindern, wäre, sich selbst auszulöschen. Nichts anderes will die Hamas. Seit 2005 ist der Gaza-Streifen in der Selbstverwaltung der Palästinenser. Milliarden an Hilfsgeldern sind seither dorthin geflossen. Hat man die Mittel genutzt, um aus dieser Enklave ein blühendes Singapur oder Macau der Levante zu bauen? Nein, man hat in Todesfabriken Raketen gebaut.
Mit den Abraham Accords hatten wir einen Friedensprozess, einen erfolgreichen noch dazu; mit israelischen Botschaften in den Golfstaaten und Flugverbindungen von Tel Aviv nach Dubai und Abu Dhabi. Auch diese Chance haben die Palästinenser nicht ergriffen. Warum? Weil es den radikalen Islamisten im Iran nicht gefiel. So wurde dieser Prozess nun durch die Handlanger der Hamas auf bestialische Weise sabotiert. Letztverantwortung für die Toten trägt also das menschenverachtende Regime totalitärer Mullahs in Teheran. Was nun im Nahen Osten und auf unseren Straßen passiert, muss ein Weckruf für die europäische Wertegemeinschaft sein. Nationalratspräsident Sobotka hat es klar formuliert: „Israel steht heute an der Frontlinie der Zivilisation, unserer gemeinsamen Zivilisation.“ Indem Israel sich selbst verteidigt, verteidigt es auch uns. Wenn Österreich zu Israel steht, dann steht es zu sich selbst. Der Humanismus ist gefordert aufzuwachen und sich zu wehren.
Daniel Kapp ist PR-Berater und Obmann des Clubs der Freunde Israels
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