Sackgasse Handelskrieg: Ethischer Welthandel als Alternative

UNO als Ordnungsmacht im Welthandel (Bild: UNCTAD-Chefin Rebeca Grynspan)?
Der aktuelle „Handelskrieg“ ist oberflächlich betrachtet ein ultimativer Beweis für die grenzenlose Irrationalität des US-Präsidenten. Er zeigt aber auch die theoretischen und praktischen Grenzen des Freihandelsansatzes auf, dessen Ära nun zu Ende gehen könnte. Denn abgesehen davon, wie unsympathisch Donald Trump vielen sein mag: Fakt ist, dass weder die wissenschaftliche Freihandelstheorie noch die für die praktische Handelspolitik zuständige WTO eine Lösung für das Rekorddefizit in der US-Leistungsbilanz anzubieten haben. Laut wissenschaftlicher Theorie müsste sich entweder der Dollar-Wechselkurs automatisch nach unten anpassen oder, ersatzweise, die Löhne, und dies müsste – laut Theorie – die Handelsbilanz wieder ins Lot bringen. Doch der letzte Überschuss in der US-Leistungsbilanz datiert aus 1991 – und liegt damit mehr als 30 Jahre zurück. Ähnlich ergeht es vielen ärmeren Ländern, deren Verschuldungssituation sich zuspitzt. Die Welthandelsorganisation WTO, die für die Spielregeln des Freihandels verantwortlich zeichnet, bietet ebenfalls keinerlei Lösung für das Problem an: weder für Export- noch für Importweltmeister.

Christian Felber
Mit historischem Langzeitgedächtnis könnte man die Verantwortung bei der US-Regierung von 1944 suchen, die sich gegen den Vorschlag des Briten John Maynard Keynes ausgesprochen hatte, abweichende Leistungsbilanzen – sowohl ins Defizit wie in den Überschuss – durch eine Serie von Sanktionen ins Gleichgewicht zurückzuholen: Z.B. durch Anpassung der Wechselkurse, Zahlung von Strafzöllen; oder durch negativ verzinste Kredite von Überschuss- an Defizitländer. Keynes’ Vorschlag war sehr detailliert und durchdacht. Nach der Finanzkrise 2009 wurde er sowohl von der chinesischen Zentralbank als auch von einer UN-Kommission rund um US-Ökonom Joseph Stiglitz ausgegraben und gewürdigt. Für die Umsetzung reichte es erneut nicht, vielleicht erhält die luzide Idee nun eine neue Chance. Z.B. im Rahmen einer ethischen Welthandelsordnung, die einen Ausweg aus dem gegenwärtigen Chaos bieten könnte: Handel könnte in dieser Vision vom Ziel („Freihandel“) zum Mittel („Ethischer Handel“) werden, das den übergeordneten Zielen der internationalen Staatengemeinschaft dient: Frieden und Demokratie, Menschen- und Arbeitsrechte, soziale Sicherheit und Verteilungsgerechtigkeit, Umwelt- und Klimaschutz.
Die Regeln könnten so geschrieben werden, dass Länder und Unternehmen, welche diese Ziele konsequent verfolgen, freier miteinander handeln als Zuwiderhandelnde. Regelungssitz könnte die UNO werden, nachdem die WTO eigens außerhalb angesiedelt wurde, damit die Spielregeln für den „Freihandel“ keine Rücksicht auf andere Ziele nehmen müssen. Das hat sich als Sackgasse erwiesen. Mehr Sinn würde es machen, die Spielregeln a) innerhalb der UNO zu bilden, und das b) im Einklang mit dem restlichen Völkerrecht. Länder, die sich zum Schutz der Menschenrechte und des Weltklimas verpflichten und sich einer entsprechenden Gerichtsbarkeit unterwerfen – analog zum bisherigen WTO-Schiedsgericht, das allerdings nur Handel, ein Mittel, durchsetzte – erhielten Vorteile. Wer mehr exportieren will, muss sich friedlich verhalten, demokratisieren und das Klima schützen.
Gemeinwohl-Bilanz
Die heutige Logik, dass Klimaschutz, soziale Sicherheit oder höhere Arbeitsstandards sich als Wettbewerbsnachteil auswirken, wird umgedreht: Wer mitspielen will, muss die Standards erhöhen. Gleiches könnte auf Unternehmensebene eingezogen werden: Neben der Finanzbilanz wird eine Gemeinwohl-Bilanz oder ein Nachhaltigkeitsbericht mit mess- und vergleichbarem Ergebnis zur Voraussetzung für das Mitspielen am Weltmarkt. Je besser die Bilanz, desto freier der Marktzugang.
Eine solche Ethische Handelszone („UNETZ“) wäre nach der ITO 1944 und der UNCTAD 1964 historisch der dritte Versuch, den Welthandel innerhalb der UNO zu regeln. Es wird Zeit, dass wir die Spielregeln für den Welthandel so umschreiben, dass es sich betriebswirtschaftlich und wirtschaftspolitisch lohnt, das Klima, die Menschenrechte, den sozialen Zusammenhalt und den Weltfrieden zu schützen.
Zum Autor:
Christian Felber ist Initiator der Gemeinwohl-Ökonomie, aktuell Co-Autor des Working Paper „A New Paradigm for the EU’s Global Trade Strategy“ (CBS International Business School).
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