Ostern behält auch heute seine innere Kraft

Fast 2,3 Milliarden Christen feiern jedes Jahr das Osterfest. Auf der nördlichen Erdhalbkugel fällt Ostern in den Frühling, in der südlichen Hemisphäre aber in den Herbst. Gefeiert wird die „Auferstehung“ Christi aus seinem Tod durch Kreuzigung.
Kulturgeschichtlich aber ist Ostern ein sehr altes Fest der frühen Ackerbauern. Es ist mindestens 8.000 Jahre alt, die Bauern feierten das Wachstum ihrer Saaten. Sie beobachteten, dass jedes Getreidekorn abstirbt, aber gleichzeitig neues Leben hervorbringt. Denn aus ihnen wachsen neue Ähren. Die Bauern feierten dieses Fest zu Beginn der Wachstumsphase mit Liedern, Tänzen und symbolischen Riten. Und sie glaubten, dass die Auferstehung der Pflanzen auch ein Symbol für ihr eigenes Leben sein könnte. Ab dem 7. Jh. v. Chr. feierten griechische Bauern das Fest der „Auferstehung“ (anastasis) in der Natur, sie richteten Kulte der Mysterien ein. Die Feiernden stiegen in eine dunkle Höhle hinab und kamen mit neuen Kleidern zurück. Sie sprachen von der inneren Verwandlung ihres Lebens.

Anton Grabner-Haider
Die frühen Jesus-Jünger deuteten den Tod ihres Lehrers am Kreuz mit dem Bild des sterbenden Samenkorns. Sie sahen ihren toten Lehrer als auferstandenen „Christus“ und als göttlichen Sohn, als Erlöser. Damit ist das heutige Christentum aus einer griechischen Mysterien-Religion entstanden. Denn Christus war für seine Anhänger der neue Dionysos, der neue Herakles und der neue Asklepios. Sie feierten das große Fest der Auferstehung Christi, und sie wollten in dieser Festzeit ihr ganzes Leben von innen her erneuern. Sie feierten die Osternacht, in der alle Lichter gelöscht wurden. Dabei sollte die Dunkelheit der Sünde und des Leidens intensiv erlebt werden. Dann wurde aus Steinen neues Licht erweckt, die Dunkelheit wich zurück und es begann eine Zeit der Freude und des Glücks, die Erlösung vom Bösen war möglich geworden.
Heute feiern die großen Kirchen weiterhin das Fest der Auferstehung Christi mit vielen Riten und Prozessionen. Es werden die großen Musikwerke der Auferstehung gehört und erlebt. Auch religionslose Zeitgenossen sind tief berührt, weil z. B. Bach tiefe menschliche Sehnsüchte zum Ausdruck brachte. In ländlichen Regionen erfreuen sich viele an den alten Osterbräuchen, an Umzügen mit Böllerschüssen. Doch wie lässt sich die Osterzeit für säkulare Zeitgenossen sinnvoll erleben und gestalten?
Sinnvoll bleibt weiterhin die Idee der Erneuerung des Lebens, das Ablegen dunkler Gewohnheiten, das Aufstehen zu neuer Lebensfreude. Ostern ist ein Fest der inneren Verwandlung und der Stärkung der Lebenskraft. Ernst Bloch hatte vorgeschlagen, den auferstandenen Christus als Urbild des liebenden Menschen zu sehen. Dringlich muss das männliche Urbild durch weibliche Urbilder ergänzt werden. Säkulare Gruppen und Familien feiern seit Langem alternative Riten. erzählen neue Geschichten des Übergangs vom Tod zum Leben, schaffen österliche Spiele und Theaterstücke. Andere verbinden das Erleben von Sexualität mit den Ideen der Auferstehung. Die Bilder der Osterzeit behalten ihre innere Kraft also auch für säkulare Zeitgenossen. Es ist Zeit, die alten Bilder der Religion mit neuem Leben zu füllen.
Anton Grabner-Haider ist Universitätsprofessor und Religionsphilosoph in Graz
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