Never waste a good crisis!

Nichts könnte die Aufgabe der neuen Bundesregierung so gut zusammenfassen wie das Winston Churchill zugeschriebene Zitat „Never waste a good crisis“. In der Tat können tiefgreifende Reformen oft nur in Krisenzeiten durchgeführt werden. Dafür sind jetzt alle Voraussetzungen gegeben. Das Budget ist mit 4,7 % Netto-Defizit statt der 3 % Maastricht-Grenze aus dem Ruder gelaufen, ebenso die Staatsverschuldung mit 81,8 % statt der 60 % Maastricht-Grenze. Österreich befindet sich im dritten Rezessionsjahr. Unsere Wettbewerbsfähigkeit ist in den letzten fünf Jahren weltweit vom 16. auf den 26. Platz zurückgefallen und eine Besserung ist derzeit nicht absehbar.

Günter Stummvoll
Im Gegenteil, wir sind weit entfernt von einem Aufschwung. Die Industrieproduktion ist im Vorjahr um 6,2 % zurückgegangen und wir befinden uns in einer Phase der Deindustrialisierung. Nach den jüngsten Konjunkturbarometern der Industriellenvereinigung befindet sich die Industrie in einer trostlosen Situation. Seit dreieinhalb Jahren melden die Industrieunternehmen im Rahmen des Konjunkturbarometers bei der aktuellen Geschäftslage keinerlei Aufwärtsbewegung, nicht einmal eine kurze Episode des Atemholens – die bisher mit Abstand längste Rezessionsphase, seit der Indikator erhoben wird.
Die negativen Standortfaktoren sind derzeit zahlreich. Arbeitskosten (Lohnstückkosten und Lohnnebenkosten) über dem EU-Durchschnitt, Energiekosten 3–4 Mal so hoch wie in den USA, überbordende Bürokratie und überlange Genehmigungsverfahren, Arbeitskräfteengpässe durch fehlenden Anreiz, länger zu arbeiten, egal ob bei Teilzeit, frühzeitigen Pensionsantritt und rückläufige Erwerbsquote.
Wann, wenn nicht jetzt, sollen diese Schwächen angegangen werden? Umso mehr, als in den nächsten zweieinhalb Jahren keine wichtigen Wahlen anstehen, bei der die Politik sich fürchten müsste, vom Wähler wegen unpopulärer Maßnahmen abgestraft zu werden. Es braucht auch nicht neu erfunden zu werden. Überaus zahlreich sind die substanziellen Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, vom Rechnungshof, WIFO, IHS, EcoAustria, Initiative Standort, Agenda Austria, Österreich Konvent, OECD und Internationalen Währungsfonds. Vergeuden wir somit nicht die Krise, sondern setzen wir die Aufforderung Churchills in die Tat um.
Das Regierungsprogramm bietet Anlass für einen gewissen Optimismus, auch wenn es in wichtigen Passagen noch sehr vage ist und konkrete Konzepte erst erarbeitet werden müssen. Aber der politische Wille aller drei Regierungsparteien ist offenbar vorhanden. Das bereits fixierte Mittelstandspaket, die Absicht zur Bewältigung der Standortprobleme eine Industriestrategie zu erarbeiten sowie der Vorrang für das Leistungsprinzip statt weitere Umverteilungsfantasien ist immerhin vielversprechend.
Günter Stummvoll ist Sprecher der u. a. von IV und WKÖ getragenen Initiative Standort.
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