Mut zur Weiterbildung

Bei der Regierungsklausur Anfang April standen auch Bildung und Weitbildung im Mittelpunkt. Konkret geplant ist eine Fachkräfteoffensive in „Zukunftsfeldern“ sowie im Bereich Pflege und Elementarpädagogik. Das ist grundsätzlich positiv. Die gleichzeitig beschlossene Einschränkung der Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose soll offenbar die Motivation erhöhen, sich in diesen Bereichen zu qualifizieren. Ob das so funktioniert, ist fraglich. So ist die Arbeit mit Kindern bzw. in der Pflege sensibel und die Freiwilligkeit bei der Berufswahl bedeutend. 45 % der Arbeitslosen verfügen zudem maximal über einen Pflichtschulabschluss. Erfolgskritische Faktoren für die Fachkräfteoffensive sind daher die Berücksichtigung individueller Bildungsmotive und die Verbesserung der Grundkompetenzen. Aber es geht auch um andere Themen. Erwachsenenbildung ist mehr als staatlich finanzierte Personalentwicklung.

John Evers
Laut der jüngsten PIAAC-Studie haben bis zu 1,7 Mio. der erwerbsfähigen Bevölkerung Probleme beim Lesen im Alltag. Österreich verzeichnet zudem eine unterdurchschnittliche Akademiker*innenquote. Eine neue Erwachsenenbildungskultur muss Themen der Durchlässigkeit in den Fokus rücken. Ein positiver Schritt wäre die geplante erleichterte Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen. Ebenso betrifft das Thema Durchlässigkeit die – im Regierungsprogramm an sich verankerte – Stärkung entsprechender Programme für Grund- und Basisbildung, aber auch z. B. die Studien- oder Berufsreifeprüfung. Wichtig ist darüber hinaus, mehr gesellschaftliche Anerkennung für Menschen zu schaffen, die sich im Erwachsenenalter mutig auf den entsprechenden Bildungsweg begeben.
Bei den Weiterbildungsmotiven stehen persönliche Interessen bzw. die Entwicklung von Alltagskompetenzen stets ganz oben. Wer also mehr (formal niedrig qualifizierte) Menschen in Weiterbildung bringen will, tut gut daran, genau dies im Angebot zu berücksichtigen. Ebenso ist ein breiteres Verständnis von beruflichen Qualifikationen (z. B. soziale Kompetenzen) von Interesse. Das Netz der gemeinnützigen Erwachsenenbildung sichert hier die entsprechende Zugänglichkeit zur Bildung.
Es wäre ein großer demokratiepolitischer Fehler, Bildungsinvestitionen nur auf die erwerbsfähige Bevölkerung (Stichwort Digitalisierung) bzw. den unmittelbar angenommenen Bedarf am Arbeitsmarkt zu beschränken. Im Rahmen der BELL-Studie (2018) wurden Teilnehmende an Volkshochschulkursen (Bewegung, Sprachen, Kreativität) befragt, welche Veränderungen sie erlebt hatten. Zwischen 80 und 90 Prozent stellten erhöhte Weiterbildungsbereitschaft, mehr Selbstbewusstsein, mehr Toleranz, mehr Engagement und letztlich mehr Wohlbefinden fest. Auch diese Themen sollten in einer zukunftsorientierten Bildungsstrategie nicht fehlen.
John Evers ist Generalsekretär des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen
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