Gute Wissenschaftliche Praxis?

Die „Gute Wissenschaftliche Praxis“ (GWP) bleibt in Österreich ein Dauerthema. Das ist auffallend, EU-weit einzigartig und wohl symptomatisch für Herausforderungen, die angegangen werden müssen: In Bezug auf ein reparaturbedürftiges (wenn nicht gar irreparables) Universitätsgesetz, aber auch was die politisch-rechtliche Diskussionskultur anbelangt, die vielfach erschreckend dürftig ist.
Wohltuend in diesem Zusammenhang der Leitartikel „Die Plagiatsfalle“ (KURIER, 9. Februar 2023). Der Autor zeigt auf, dass die Eindimensionalität der bisherigen Diskussion völlig verfehlt ist:
Wenn nun laufend unzulängliche akademische Arbeiten in den Medien präsentiert werden, dann geht es nicht darum, Akademikern den (objektiv betrachtet vielfach nicht verdienten) Studientitel zu entziehen, sondern auf ein strukturelles Problem aufmerksam zu machen, das gerade durch das Universitätsgesetz gravierend geworden ist. Die (durch und durch widersprüchliche) Universitätsgesetzgebung verlangt für die Feststellung eines „Plagiats“ eine subjektive Täuschungsabsicht, die praktisch kaum nachweisbar ist. Und die auch gar nicht erforderlich ist, um eine Arbeit unterirdischer Qualität approbiert zu erhalten, wenn die Gutachter die Arbeit ohnehin nicht lesen, nicht verstehen oder von GWP (bzw. vom Inhalt der Arbeit!) schlicht und einfach keine Ahnung haben.
Nicht akzeptabel
Aberwitzigen Text vorgelegt, keine Täuschungsabsicht nachweisbar, alles paletti? Man muss kein Jurist sein, um zu verstehen, dass das nicht akzeptabel ist. Wie der Autor dieser Zeilen immer wieder versucht hat zu betonen: Es kann nicht darum gehen, (Ex-)Studierende zu sanktionieren. Eine akademische Qualifikationsschrift ist das Ergebnis einer Betreuungs- und Beurteilungssituation mit mehreren Beteiligten und für die Studierenden muss Vertrauensschutz gelten. Es kann auch nicht darum gehen, eine „Superrevisionsinstanz“ einzuführen, die im Einzelfall über den Universitäten steht und nachträglich eine individuelle Kontrolle mit Sanktionen – für den Einzelfall! – durchsetzt, gegen die Absolventen. Eine solche Regelung würde jegliche Universitätsautonomie aushebeln – und auch die Universitäten aus ihrer akademischen Verantwortung entlassen.
Angesichts der aufgezeigten, vielfältigen Missstände mit Arbeiten, die nicht nur bar jeglicher wissenschaftlichen Qualität sind, sondern offen Beleg dafür bieten, dass an Universitäten in Österreich die Gute Wissenschaftliche Praxis eben nicht eingehalten wird (bzw. dass ausländische Arbeiten dieser Art in Österreich anerkannt werden), bedarf es einer Kontrollinstanz, die zumindest gesamthaft Qualitätskontrollen vornimmt. Einrichtungen solcher Art existieren im Ausland bereits, sie fehlen in Österreich.
Peter Hilpold ist Rechtswissenschaftler und Professor für Völkerrecht an der Universität Innsbruck.
Kommentare