Gerechter Lohn für harte Arbeit
Mit 9,6 Prozent haben wir für die heurigen Kollektivvertragsverhandlungen der Metallindustrie eine besonders hohe Inflation als Ausgangslage. Das wäre vermeidbar gewesen, hätte die Bundesregierung auf die vielen Vorschläge der Gewerkschaft zur Senkung der Teuerung gehört. Stattdessen wurden Einmalzahlungen verteilt, die schnell verpufften, während die Preise anhaltend hoch blieben.
Dass die durchschnittliche Inflation der letzten 12 Monate (die sogenannte rollierende Inflation) Grundlage von Gehaltsverhandlungen ist, ist keine neue Erfindung. Seit Jahrzehnten führen wir nach diesem Prinzip die Verhandlungen mit der Wirtschaftskammer (WKO). Das hat im vergangenen Jahr dazu geführt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Reallohnverluste erlitten haben, insgesamt in Höhe eines ganzen Monatsgehalts. Aus Gründen der Fairness sind wir dennoch bei diesem Verhandlungsmodus geblieben. Dass wir heuer erstmals davon abweichen sollen, weil die rollierende Inflation eben besonders hoch ist, kommt nicht infrage. Wir wechseln nicht im Fluss die Pferde. Ebenso wenig steht zur Debatte, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Rechnung für die Untätigkeit der Regierung zahlen sollen. Während nämlich seitens der Unternehmen uns Gewerkschaften Lohnzurückhaltung angetragen wird, wurde von Aktionären bei den Dividendenzahlungen und von Managern bei den Boni keine Zurückhaltung geübt, im Gegenteil. Als es für die Arbeitgeber darum ging, das Geld unter sich selbst zu verteilen, waren alle Taschen offen.
Nun sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an der Reihe, die gerechte Entlohnung für ihre harte Arbeit einzufordern. Klar, dass jetzt wie jedes Jahr das kollektive Jammern überhandnimmt. Bis zu den nächsten Geschäftsberichten vor den Aktionären werden sich vermeintliche Gewitterwolken als Schönwetterwolken herausgestellt haben.
Keine Frage: Die Situation ist heuer besonders schwierig. Mit unserer Forderung nach 11,6 Prozent haben wir der gründlichen Analyse der Branche Rechnung getragen. Alle Wirtschaftsforscher bestätigen, dass wir damit im Rahmen des Machbaren liegen. Der angekündigte Weltuntergang wird sicher nicht stattfinden und Österreich weiter ein attraktiver und wettbewerbsfähiger Standort bleiben.
Die WKO hat uns bereits im Vorfeld ausgerichtet, sie sei nicht für den Kaufkrafterhalt zuständig. Dass die Wirtschaft aber nur funktionieren kann, wenn Konsumentinnen und Konsumenten Geld zum Einkaufen haben, sollte sich herumgesprochen haben. Die Verhandler der Arbeitgeberseite müssen in der Wirklichkeit ankommen: Wenn die Branche im Kampf um Arbeitskräfte (auch international) vorne mitspielen will, dann müssen die Arbeitsbedingungen attraktiviert werden, und zwar hinsichtlich des Gehalts, aber auch hinsichtlich der Arbeitszeit.
Karl Dürtscher ist Chefverhandler der Gewerkschaft GPA bei der Metaller-Lohnrunde
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