Franziskus und der Duft des Evangeliums - wie geht es weiter?

Franziskus und der Duft des Evangeliums - wie geht es weiter?
Dem neuen Papst muss daran gelegen sein, die Kirche in einer taumelnden Welt fit zu erhalten. Ein Gastkommentar von Paul M. Zulehner.

Die Kirche verdankt Papst Franziskus eine erneuerte Pastoralkultur: diese ist weder progressiv noch konservativ, sondern schlicht radikal: also tief im Evangelium verwurzelt. Seit seiner „Regierungserklärung“ Evangelii gaudium (2013) verströmte Papst Franziskus den Duft des Evangeliums vom bedingungslosen Erbarmen Gottes nicht nur in der Kirche, sondern in der ganzen Welt.

Als „Weltpfarrer“ träumte er von einer „Kirche als Mutter und Hirtin“. Akzente wurden verschoben. Für den Papst war die Kirche keine Zollstation, sondern ein Feldlazarett. Er sprach weniger von der Moral, sondern vom Heilen, weniger von den Sünden, sondern von Wunden, die Menschen einander, sich selbst oder der Natur zufügen. Er sprach kein „extra omnes“ (alle hinaus!), wie es zum Beginn des Konklaves heißen wird, sondern „intra omnes“ (alle herein). Er stand nicht für Exklusion und Exkommunikation, sondern für Inklusion.

Er holte alle herein: die wiederverheiratet Geschiedenen, denen er im Einzelfall den Zugang zur Kommunion öffnete; die Homosexuellen, zu denen er auf verblüffende Weise sagte: „Who am I to judge?“ („Wer bin ich schon, das ich richte!“). Er verstand katholisch nicht als konfessionell, sondern als universell. Alle, todos, hatte er im Blick, vor allem die Völker am Rand und die Armgemachten der Welt, sah sie an, schenkte ihnen so Ansehen und versicherte sie ihrer Würde. Mit diesem Geist wollte er alle anstecken, zumal die anderen christlichen Kirchen und die großen Religionen der Welt. Dazu verfasste er seine Schreiben über die Schöpfung („Laudato si“, 2015) oder über die universelle Geschwisterlichkeit („Fratelli tutti“, 2020).

Paul Zuhlener

Paul M. Zulehner

Flüchtiger Duft

Ist es einem Duft, auch dem Duft des Evangeliums aber nicht eigen, dass er sich gar leicht wieder verflüchtigen kann, das Evangelium also verduftet und die Kirche alsbald nicht mehr nach diesem riecht?

Der Papst hat auf der Synode 2021–2024 versucht, die Kirche aus der Mitte des Evangeliums heraus zu erneuern. Das Hören auf den Protagonisten der Kirche, den Heiligen Geist, wurde geübt. Die Geister wurden unterschieden. Die Getauften wurden an ihre unvertretbare Berufung zum Mitwirken an der Mission Jesu erinnert: dass der Himmel auf die Erde kommt und damit das Leben und Zusammenleben in der zerrissenen Welt menschlicher, friedlicher, gerechter, wahrhaftiger wird. Dass wir die uns anvertraute Schöpfung hegen und pflegen, nicht aber ausbeuten. Alle Getauften, mit allen Menschen guten Willens, sollten die Leidenschaft Gottes für seine Welt (Joël 2,18) teilen und sich ihr einschmiegen. Das Amt soll nach biblischen Leitbildern dem Volk Gottes „an den Tischen dienen“, ja geradezu Füße waschen (ein Ritual, das Franziskus Jahr um Jahr in Gefängnissen vollzog).

Nun wird ein neuer Papst gewählt werden. Die Kardinäle werden darüber entscheiden, ob die Kirche auf dem eingeschlagenen Weg bleiben soll. Dass Franziskus mehr als zwei Drittel der Wählenden zu Kardinälen kreiert hat, spricht eher dafür. Dem neuen Papst, egal wo er herkommt, muss an der taumelnden Welt liegen und daran, die Kirche für ihren Dienst an der Welt fit zu erhalten. Dazu gehört die Aufgabe, die neue Pastoralkultur durch ein erneuertes Kirchenrecht zu schützen. Das flüchtige Ereignis der Synode braucht eine Institutionalisierung, um vor dem Vergessen bewahrt zu werden. Um im Bild zu bleiben: Der Duft des Evangeliums, den Papst Franziskus in Kirche und Welt verbreitet hat, benötigt Flacons, die jederzeit geöffnet werden können, wenn der Duft sich im rauen Alltag verflüchtigt.

Und die Frauen

Medial wurde in diesen Tagen viel über die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche diskutiert. Mit Freude stellten Frauen fest, dass, von der Weihe abgesehen, Frauen in allen Bereichen des kirchlichen Lebens gleichgestellt sind: Eine Frau regiert immerhin den Vatikanstaat, eine andere leitet ein Ministerium (Dikasterium) und ist Vorgesetzte eines Kardinals. Keine einzige Wortmeldung habe ich jedoch gehört, dass – anders als bei der Synode – im Konklave keine einzige Frau dabei sein wird, sieht man vom Wohlwollen der Knotenlöserin Maria, Jesu Mutter, ab, die oft angerufen werden wird.

Paul M. Zulehner ist Theologe und katholischer Priester, lehrte an der Uni Wien.

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