FPÖ und ÖVP in der europapolitischen Sackgasse

AUSTRIA-ATTACK-SHOOTING
Beim Thema EU werden FPÖ und ÖVP einander nicht finden. Ein Gastkommentar von Paul Schmidt.

Man kann es drehen, wie man will. In der Europapolitik scheiden sich zwischen FPÖ und ÖVP die Geister – und werden einander auch nicht finden. Die FPÖ macht kein Hehl daraus, dass sie europäisch vollkommen anders gepolt ist als ihr möglicher Regierungspartner. Ihr Ziel ist klar formuliert: die Europäische Integration zurechtstutzen und rückabwickeln. Beispiele dafür gibt es viele. Der Asyl- und Migrationspakt wird abgelehnt, die für Österreich so wichtige Weiterentwicklung des EU-Binnenmarkts verschmäht, die Ukraine-Hilfe ins Aus verwiesen, die Sanktionen gegen Russland verweigert, eine gemeinsame Luftraumüberwachung ausgeschlagen, internationale Gerichtsurteile bestenfalls ignoriert und gemeinsame Vorgehensweisen werden als „elitärer Zentralismus“ pauschal verteufelt. Kein Wunder, dass für die Europäische Volkspartei, der die ÖVP im EU-Parlament angehört, eine Zusammenarbeit mit den Patrioten Europas, und damit auch mit der FPÖ, bis dato nicht infrage kommt. Und in Österreich wäre das alles kein Problem?

FPÖ und ÖVP in der europapolitischen Sackgasse

Paul Schmidt

Die oft zitierten Möglichkeiten der potenziellen Koalitionspartner, europapolitisch auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, gibt es, sie sind jedoch enden wollend: eine Regierungsvereinbarung kann inhaltliche Kompromisse festschreiben, der Nationalrat die Regierungsmitglieder in ihrer Stellungnahme binden, eine EU-Koordinierung der österreichischen Positionen wieder über das Außenministerium erfolgen oder es wird vereinbart, sich ohne innerstaatliche Einigung auf europäischer Ebene einfach zu enthalten. Alles gut gemeinte Ideen, die aber den Praxistest nicht bestehen werden. Vielmehr sind sie schon jetzt Ausdruck fehlenden Vertrauens, ohne das ein gemeinsames Regieren nur schwer vorstellbar ist. Koalitionsprogramme bieten in der Regel beträchtliche Interpretationsspielräume und umgehen ganz bewusst so manche Konflikte, die aber im politischen Alltag dafür umso deutlicher zum Vorschein kommen könnten. Darüber hinaus: Wie lange kann ein Koalitionspartner akzeptieren, von dem anderen im Nationalrat überstimmt zu werden?

Bei diametral unterschiedlichen Positionen bleibt eine effiziente innerösterreichische EU-Koordinierung Wunschdenken und führt in eine veritable Sackgasse. Als Konsequenz würde sich Österreich in entscheidenden europäischen Fragen der Stimme enthalten und der Weiterentwicklung Europas erst recht die kalte Schulter zeigen müssen. Ein verlässlicher Partner sieht letztlich doch anders aus, oder? Und würde damit folglich nicht auch genau jene europäische Zusammenarbeit torpediert werden, an der der Volkspartei eigentlich viel gelegen sein sollte? Glaubt denn wirklich irgendjemand, dass sich ein österreichischer Bundeskanzler, insbesondere wenn er Herbert Kickl heißen sollte, einer solchen Selbstbegrenzung unterwerfen würde? – Zweifel sind angebracht!

Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.

Kommentare