Europa ist für Österreich ein Zuhause – das wir schützen müssen

European Union flags flutter outside the European Commission headquarters in Brussels
Zum Europatag am 9. Mai: 30 Jahre EU-Beitritt sind ein Grund zum Feiern – es gibt aber auch Herausforderungen. Ein Gastkommentar von Magnus Brunner.

Euphorie traf auf Skepsis, Hoffnung auf Warnungen, als wir vor 30 Jahren der EU beitraten. Drei Jahrzehnte später können wir feststellen: Nicht alles war einfach – aber vieles war richtig. Die Entscheidung, die zwei Drittel der österreichischen Wählerinnen und Wähler am 12. Juni 1994 getroffen haben, hält der faktischen Überprüfung in jeder Hinsicht stand. Die Bürgerinnen und Bürger hätten keinen besseren Entschluss fassen können, als „Ja“ zur Europäischen Union zu sagen. Sich nicht an der europäischen Integration zu beteiligen, würde auch unseren ureigenen Interessen widersprechen. Und der EU wiederum würde ohne Österreich das Herz in ihrer Mitte fehlen.

Von den enormen Möglichkeiten für unsere Jugend – Stichwort Erasmus – bis hin zum wirtschaftlichen Mehrwert für unser Land: Die EU-Mitgliedschaft Österreichs ist etwas, worauf wir stolz sein können.

EU-Förderungen haben dabei einen entscheidenden Beitrag geleistet: sie verringern regionale Wohlstandsunterschiede, schaffen Arbeitsplätze und bringen konkrete Verbesserungen. Manchmal erkennt man das an der EU-Fahne – aber viel zu häufig ist es überhaupt nicht zu erkennen. Wenn EU drinsteckt, sollte auch EU draufstehen.

Magnus Brunner

Magnus Brunner

Exportstark

Das exportstarke Österreich profitiert überdurchschnittlich vom EU-Binnenmarkt. Zudem helfen internationale Handelsabkommen mit inzwischen 76 Ländern rot-weiß-roten Unternehmen beim Markteintritt rund um den Erdball. Als EU bauen wir unsere Handelsbeziehungen weiter aus. Länder wie Malaysia und Indonesien oder die Philippinen stehen Schlange, um mit uns enger zu kooperieren. Wir sind nicht nur aufgrund unserer Wirtschaftsstärke ein gefragter Geschäftspartner. In turbulenten Zeiten wie diesen stehen wir für Zuverlässigkeit und Vertrauen.

Österreich ist auch ein Beispiel dafür, dass nicht nur große Mitgliedstaaten die Geschicke in der EU prägen, sei es bei der EU-Erweiterung, der Umweltpolitik oder beim Thema Migration. Politikerinnen und Politiker aus Österreich haben frühzeitig auf so manche Probleme hingewiesen, deren Lösung dann in Brüssel auf den Weg gebracht wurde. Österreich setzt sich für pragmatische Lösungen ein. Auch deshalb ist das Ansehen unseres Landes so hoch.

Wir haben also viel zu feiern in diesem Jubiläumsjahr – gleichzeitig gilt es, die enormen Herausforderungen, vor denen wir stehen, beherzt anzugehen.

Die Wirtschaft muss dringend angekurbelt werden. Und wir in Brüssel drehen kräftig an der Kurbel. Der Schlüssel zu unserem Wohlstand liegt darin, unser Haus in Ordnung zu bringen und den Handel hier in Europa zu erleichtern.

Deshalb kommt der inzwischen berühmte Omnibus, um zu vereinfachen und zu beschleunigen. Allein die Berichtspflichten für kleine und mittlere Unternehmen werden damit um 35 Prozent verringert.

Mehr Effizienz

Aber das Hauptproblem sind die vielen unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen EU-Staaten. Viel effizienter und am Ende gewinnbringender wäre es einfache, europaweite Bedingungen zu schaffen. Wenn wir alle Handelshemmnisse im Binnenmarkt abbauen würden, könnten wir unsere Wirtschaftsleistung um bis zu 10 Prozent steigern.

Auch sicherheitspolitisch stehen wir vor großen Aufgaben. Unsere Sicherheit wird von Osten bedroht und muss im Westen neu gedacht werden. Das Thema Verteidigung wird die europäische Politik in den kommenden Jahren dominieren, ob es uns gefällt oder nicht. Und auch Österreichs Sicherheit hängt davon ab, wie wir uns auf EU-Ebene aufstellen.

30 Jahre nach unserem EU-Beitritt sagen wir deshalb nicht nur: Wir feiern Europa. Sondern auch: Europa ist unser Zuhause, und unsere Aufgabe ist es, dieses Zuhause zu schützen. Nach innen und nach außen.

Die EU ist heute so wichtig wie seit ihrer Gründung nicht mehr. Als aktives Mitglied einer starken EU können wir mit Zuversicht und Selbstvertrauen in die Zukunft blicken, egal wie groß die Herausforderungen sind. Österreich hat in diesem Europa seinen festen Platz – und zwar genau dort, wo das Herz schlägt: in der Mitte.

Zum Autor:

Magnus Brunner ist Kommissar für Inneres und Migration der Europäischen Union. Der Jurist war von 2021 bis 2024 ÖVP-Finanzminister und davor, ab 2020, Staatssekretär für Energie im Umweltministerium.

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